Die heimische Modemacherin Ute Ploier unterrichtet „Fashion & Technology“ an der Kunstuniversität Linz. Im Interview mit SHEconomy spricht sie über das Verschwinden von Dresscodes im Büro, wie man qualitativ hochwertige Mode erkennt, warum es die Männer noch immer leichter haben und wie Technik unsere Kleidung verändert.
Gibt es noch Dresscodes, die vorgeben, was man ins Büro anziehen darf?
Ute Ploier: Da ich in der Kreativszene arbeite, kenne ich kein starres Regelsystem. Aber ich glaube ohnehin, dass sich die Codes immer mehr aufweichen. Wir tragen inzwischen alle eine Mischung aus Leisure Wear und Business-Look. Bei den aktuellen Shows in Paris konnte man aber beobachten, dass der Trend wieder verstärkt Richtung klassische und hochwertige Kleidung geht. Dass dieser Hype an Sneakers zu Kleidern oder Anzügen seinen Höhepunkt erreicht hat.
Die High Fashion Labels haben in den letzten Jahren verstärkt auf Streetwear gesetzt. Haben wir uns an überteuerten Turnschuhen sattgesehen?
Vielleicht ist es auch eine Reaktion darauf, dass wir alle wissen, wie Turnschuhe produziert werden. Dass es nicht die umwelt- und gesundheits-freundlichsten Stoffe sind, aus denen sie in Asien hergestellt werden. Das Bedürfnis nach einem natürlichen Material mag da auch hereinspielen. Wobei man bei Leder sagen muss, dass es wichtig ist, dass die Produkte in Europa produziert werden, da sind die Auflagen strenger.
Viele haben im Büro jeden Tag ein anderes Outfit an. Geht das nicht automatisch auf Kosten der Umwelt?
In Europa ist leider noch nicht angekommen, was in den USA schon sehr populär ist: Man mietet Kleidung. Um fürs Office repräsentativ zu sein, muss man nicht alles selber kaufen. Man schafft sich Basic-Teile an, und mietet Eyecatcher für besondere Anlässe. Der Trend zum Secondhand bei Designerstücken schwappt auch erst langsam zu uns über. Es wäre aber eine wichtige Schraube, um in Sachen Nachhaltigkeit etwas zu verbessern.
Auch Luxuslabels lassen mitunter billig in Asien produzieren. Wie erkennt man Qualität?
Das ist wirklich nicht leicht. Das bemerke ich auch selber als Konsumentin. Warum soll ich von angesagten Labels wie Vetements ein Kleid um 2.000 Euro kaufen, das aus Polyester ist? Da steht der Preis in keinem Verhältnis zur Qualität. Wobei der Begriff Nachhaltigkeit ohnehin sehr inflationär und missbräuchlich verwendet wird. Ein Weg kann sein, dass man kleinere heimische Labels unterstützt, da kann man meist davon ausgehen, dass die Mode innerhalb von Europa produziert worden ist. Es ist zu empfehlen, Kleidung aus natürlichen Fasern zu kaufen, keine Mischgewebe. Die Färberei ist eines der größten Probleme in der Industrie. Natürliche Textilien mit biologischen Färbungen haben auch einen ganz anderen Tragekomfort.
Was soll man kaufen?
Es ist wichtig, dass man wenig kauft, dafür Hochwertiges, an dem man länger Freude hat. Das Problem ist, dass man für die Suche nach diesen Produkten meist viel Zeit braucht. Man muss sich durch den Internet-Dschungel quälen, um entsprechende Angebote zu finden. Ich würde mir wünschen, dass man bei Plattformen wie Farfetch als Filter und Suchkriterium »ökologisch produzierte Designermode« eingeben kann. Das ist eindeutig eine Marktlücke.
Es ist wichtig, dass man weniger kauft, dafür Hochwertiges, an dem man länger eine Freude hat.
2003 gründeten Sie Ihr Männermodelabel und waren damit Ihrer Zeit voraus. Mittlerweile boomt Menswear, die Herren
trauen sich deutlich mehr als früher. Was bedeutet das für die Frauen modisch?
Diese Aufbruchsstimmung war damals ein Grund, warum ich Männermode machen wollte. Bei den Frauen war schon immer mehr erlaubt, die Männer waren auf klassische Farben und Stoffe reduziert. Der aktuelle Trend der Genderfluity und Genderneutralität bringt für Männer viel größere Veränderungen, die Stoffe werden fließender und weicher, die Schnitte gewagter. Aber man merkt es auch an Details, die alten Regeln, dass Männerknöpfe auf der einen und für Frauen auf der anderen Seite sind, interessieren viele junge Designer einfach nicht mehr. Es wird spielerischer damit umgegangen. Das ist für alle ein Vorteil: Die Möglichkeiten, was man anziehen kann, erweitern sich.
Männer hatten es im Büro immer leichter: Sie trugen einfach einen Anzug.
Das ist ein Dilemma, in dem Frauen stecken: Sie haben diese neutrale Uniform nicht, die dem Mann wie eine moderne Rüstung zur Verfügung steht. Frauen werden viel stärker nach äußerlichen Kriterien beurteilt. Solange sich die Strukturen nicht ändern, wird das ein Problem bleiben. Oft gibt es in Firmen noch gläserne Decken, Männer und Frauen werden mit unterschiedlichem Maß gemessen. Männer können sich in ihrem Anzug verstecken, er gibt ihnen Sicherheit. Frauen stehen viel mehr unter Beobachtung. Das merkt man auch bei Politikerinnen wie Angela Merkel, die es nie allen recht machen kann.
Sie leiten den Studiengang »Fashion & Technology« an der Kunstuniversität Linz. Wie sehr beeinflusst Technik unsere Mode?
Man denkt bei dem Thema immer automatisch an Wearable Technologies wie die Apple Watch. Aber das sind Produkte, die sich im Moment noch wenig durchsetzen und eher im Accessoire-Bereich liegen. Dabei steckt in der Mode viel mehr Technologie als man als Konsumentin auf den ersten Blick sieht. Allein die neuen Fasern, die aus Holz hergestellt werden, aus Kaffeesud oder Abfall von Zitrusfrüchten. Das sind gute Alternativen zur Baumwolle. Diese Entwicklungen müssen kommen, weil unsere Ressourcen endlich sind.
Wie wichtig ist der 3D-Druck?
Der war lange in aller Munde, funktioniert aber nach wie vor nicht besonders gut. Was herauskommt, sind keine Kleidungsstücke mit Tragekomfort. Was allerdings erstaunlich gut geht, ist der 3D-Strick, der nahtlose Kleidungsstücke ermöglicht. Da sehe ich Potenzial. Aber auch das Schweißen von Nähten mit Ultraschall wird immer wichtiger. Es tut sich gerade viel, aber die Industrie reagiert noch recht langsam, weil viele Produktionsschritte nötig und die Apparate schwerfällig sind. Aber es wird beständig gesucht und geforscht.
ZUR PERSON: Ute Ploier wurde 1976 in Linz geboren. Sie studierte Modedesign in London am renommierten Central Saint Martin’s College und in Wien an der Universität für angewandte Kunst. 2003 gründete sie ihr Männermodelabel. Gleich zu Beginn ihrer Karriere gewann sie ein wichtiges Newcomer-Festival in Hyères. Sie hatte einen Lehrauftrag an der Kunst-Uni in Basel, eine Professur für den Bachelorstu- diengang an der Modeschule Hetzendorf. Ploier entwarf außerdem eine Kollektion für die britische Kette Topman und arbeitete mit dem Trachtenherstelller Gössl zusammen. Seit Oktober 2015 leitet sie das Bachelorstudium »Fashion & Technology« an der Kunstuniversität Linz.
Dieser Artikel stammt aus der ersten Ausgabe von Sheconomy. Mehr zu unserem Themenschwerpunkt »Identität« lesen Sie in ebendieser.
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