Melanie Dreser ist Head of Design und war zwei Jahre lang Teil des Global Board of Directors der Innovationsberatung Futurice. Im Interview verrät die Designerin, warum sie mit Begeisterung führt und welche Skills für sie am wichtigsten sind.
SHEconomy: Frau Dreser, wir sprechen in diesem Interview darüber, mehr Führung zu wagen. Welche Rolle spielt Mut in Ihrer Leadership-Journey?
Melanie Dreser: Es erfordert immer Mut, sich in neue Themenfelder einzuarbeiten oder in neue Führungsrunden hinein zu gehen, also sich immer weiter zu entwickeln. Es braucht ebenfalls Mut, dabei authentisch zu bleiben, immer wieder die Perspektive zu wechseln und komplexe Herausforderungen im Kundenkontext anzunehmen. Das war mir sicherlich nicht immer bewusst. Aber nur durch Mut entsteht letztlich der „Impact“, den ich kontinuierlich suche, also die Wirksamkeit in meinem Tun.
Was treibt Sie an?
Es ist die Neugier, die mich weiter und weiter aus meiner jeweiligen Komfortzone führt. Neues zu lernen und mich selbst zu verbessern gehörte schon immer zu meinem eigenen Anspruch, bereits als Kind hatte ich einen echten Entdeckergeist.
Kam das Interesse an Design aus Ihrer Familie?
Ich bin die erste Studentin in meiner Familie, ich vereine wohl die künstlerische Seite meiner Mutter und die technische Affinität meines Vaters in mir. Über die Kombination aus Leidenschaft, Interesse und meinen Stärken gelangte ich im Beruf zur technischen Seite im Kommunikationsdesign. Heute bin ich Teil der internationalen Führungsebene von Futurice.
Wie haben Sie gemerkt, dass Sie Lust auf Führung haben?
Auch das hat sich schon früh bei mir gezeigt, ich habe Kinder im Judo trainiert und war Kapitänin meines Fußballteams. In diesen Rollen braucht es viel Empathie und spielerische Ansätze, das lässt sich auch auf meine aktuellen Aufgaben übertragen. Mir hat es schon immer Spaß gemacht, den Überblick zu behalten, andere zu motivieren und Stärken gemeinsam auszubauen.
Was genau reizt Sie am Thema Führung?
Da sind wir wieder bei der Wirksamkeit. Ich liebe es, Teams nach vorn zu bringen, zu fordern und zu fördern und sie kontinuierlich so zu motivieren, dass sie Spaß an ihrer Arbeit und der eigenen Weiterentwicklung haben. Das zahlt auch auf den Impact der Projekte und den Erfolg des Unternehmens ein.
Wie gelingt Ihnen das?
Der wichtigste Punkt ist wohl das Loslassen und anderen die Freiheit zu geben, sich selbst weiter zu entwickeln. Dazu gehört auch, bei größeren Herausforderungen ganz bewusst auch mal nicht einzugreifen – das ist besonders wichtig bei anderen Leadern, die ich führe. Hier heißt es, ihnen noch mehr Freiheiten zu lassen und sie im Rahmen ihres eigenen Führungsstils zu fördern.
„Ich habe keine Angst vor Reibung“
Welche Rolle hat Feedback in diesem Zusammenhang?
Bei Futurice sind wir davon überzeugt, das Feedback ein Geschenk ist. Es ist wichtig, kontinuierlich positive und konstruktive Rückmeldungen zu geben – so drückt sich Wertschätzung aus und es entsteht die Chance für berufliche und persönliche Weiterentwicklung. Das funktioniert jedoch nicht ohne Vertrauen. Deshalb ist es auch wichtig, dass ich selbst immer wieder proaktiv Feedback von meinen Teams einfordere und wir uns beidseitig weiterbringen. Wenn sich Führungskräfte vor direktem Feedback scheuen, vernachlässigen sie sich und ihre Teams gleichermaßen.
Wie haben Sie den Sprung ins Board von Futurice geschafft?
Ich wurde von verschiedenen Seiten vorgeschlagen, weil ich keine Angst vor Reibung habe und Themen direkt, aber wertschätzend und konstruktiv anspreche. Ich wage mich auch hier immer wieder auf neues Terrain.Zudem waren meine Expertise in den Bereichen Strategie, Digitalisierung und Design sowie meine Kenntnisse von Unternehmen – von Startups bis Großkonzernen – im DACH-Markt eine Bereicherung des Boards.
Wie motivieren Sie andere, ebenfalls Führungsrollen einzunehmen, also Führung zu wagen?
Ich kann nur werden, was ich sehe. Deshalb ist es uns bei Futurice wichtig, nah an den Teams zu sein und uns als Führungskräfte eng mit ihnen auszutauschen. In Personalgesprächen versuchen wir immer wieder herauszufinden, in welche Richtung sich jemand weiter entwickeln möchte, welche Verantwortlichkeiten reizvoll sein könnten. Es gibt auch Leadership Onboardings sowie verschiedene Kurse und Mentorings, die den Weg begleiten. “Care” und “Continuous Learning” sind Teil der Werte von Futurice, auch deshalb ist es mir wichtig andere zu motivieren, ebenfalls Führung zu wagen.
Ganz praktisch gefragt – woran erkenne ich, dass ich Leadership Skills habe?
1. Führung fängt mit Selbstführung an – kann ich mich selbst organisieren, habe ich die Fähigkeit, mich selbst zu hinterfragen? Daraus lässt sich Schritt für Schritt der Impact erweitern. Aber: Führung ist kein Titel. Also 2.: Bringe ich Mut, Leidenschaft und den langen Atem mit, Menschen und ihre Potenziale zu erkennen und sie weiter zu entwickeln? 3.: Wage ich mich proaktiv immer wieder in neue Territorien vor? Und 4.: Habe ich die Flexibilität und die Offenheit, neuen Herausforderungen zu begegnen und Probleme anders zu lösen als bisher?
Was war Ihr bislang wichtigstes Learning in Ihrer Leadership Journey?
Ich habe auf meinem Weg gemerkt, wie stark unsere Prägung ist, wie voreingenommen wir an vielen Stellen sind. Es ist wichtig, die eigenen Vorurteile zu erkennen, zu hinterfragen und ihnen entgegen zu wirken.
„Wir sollten Familie nicht als Hindernis für Führung sehen“
Aus Ihrer Sicht sollten mehr Designer und Kreative in der Führungsebene zu finden sein. Warum?
Ich bin davon überzeugt, dass diverse Teams bessere und nachhaltige Lösungen finden. Es macht Sinn, Synergien aus verschiedenen Disziplinen zu erzeugen, auch im Leadership. Designer:innen denken menschenzentriert. Sie haben gelernt, verschiedene Interessengruppen zu verstehen und Auswirkungen immer mitzudenken, deshalb sind sie wertvoll für jedes Führungsteam. Diese Kompetenzen werden gerade vor dem Hintergrund datenbasierter Entscheidungen wichtig. Strategien müssen neu gedacht werden – dateninformiert, aber nicht zu technisch.
Sie sind Gründerin und Host des Podcast „MamaLeaders“ – wen wollen Sie damit erreichen?
Hier sind wir wieder bei Vorurteilen und Vorbildern. Ich spreche im Podcast mit Müttern, die in Führungsrollen arbeiten oder erfolgreich gegründet haben. Oft stehen Mütter, die Karriere machen, in der Kritik. Hier braucht es einen gesellschaftlichen und auch unternehmerischen Wandel – ich zeige anhand verschiedenster Beispiele, wie Familie und Karriere zusammen funktionieren können. Ich selbst wurde bei Futurice als Mutter nicht von meinen Führungsaufgaben ausgeschlossen. Das will ich nach außen tragen: Wir sollten Familie nicht als Hindernis für Führung sehen.
Woher nehmen Sie die Energie für die verschiedenen Rollen in Ihrem Leben?
Zunächst einmal arbeite ich tatsächlich einfach leidenschaftlich gern, ich bin jeden Tag begeistert über das, was ich tun darf. Im Alltag versuche ich mich klar zu fokussieren – wenn ich im Büro bin, konzentriere ich mich auf den Job, wenn ich zuhause bin, bleibt die Arbeit möglichst draußen. Ich gehe Laufen und genieße die Zeit mit meiner Familie, aber wichtig ist es für mich vor allem, regelmäßig zu reflektieren: Dafür habe ich am Anfang und am Ende der Woche feste Slots eingeplant.
Zur Person:
Melanie Dreser ist Head of Design und war Board Member der in Finnland gegründeten Innovations- und Digitalberatung Futurice. Sie ist unter anderem für die strategische Ausrichtung des Design-Bereichs verantwortlich und Teil des globalen Product Office, wo sie internationale Kunden u.a. aus den Bereichen Mobilität und Gesundheit im digitalen Wandel berät. Sie ist Dozentin an der Macromedia School und Host des Podcast „MamaLeaders“.