Aus dem vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort initiierten Drehbuchwettbewerb Heldinnen in Serie gingen sechs Konzepte hervor, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Eines ist ihnen aber gemeinsam: Starke Frauenfiguren stehen im Fokus. [bezahlte Anzeige]
Als erste deutsche Regisseurin überhaupt wurde Maria Schrader bei der diesjährigen Verleihung des US-Fernsehpreises Emmy mit einer Auszeichnung bedacht. Den Preis bekam sie für ihre Netflix-Miniserie »Unorthodox«, die in insgesamt acht Kategorien nominiert war. Bei derselben Veranstaltung erhält die 24-jährige Zendaya als jüngste Schauspielerin in der Geschichte der Emmys für ihre Darstellung der drogenabhängige Highschool-Schülerin Rue in der Serie »Euphoria« einen Preis. In zahlreichen Medien und sozialen Netzwerken wird in den vergangenen Wochen und Monaten außerdem noch eine andere aus Film und Fernsehen bekannte Frauenfigur gefeiert – Pippi Langstrumpf, das stärkste Mädchen der Welt, feiert 2020 ihren 75. Geburtstag. Nach außen hin gibt es für Frauen, die Teil der Serienwelt sind, also viel zu feiern. Doch wie sieht es im Inneren der Film- und Serienindustrie aus?
Daten gibt es vor allem zur Filmwelt. So zeigt der erste Österreichische Film Gender Report unter anderem, dass von insgesamt 289 analysierten Hauptfiguren 159 (55 Prozent) männlich und 129 (45 Prozent) weiblich sind. Untersucht wurden Filme im Zeitraum zwischen 2012 und 2016. Im Bericht »Rewrite Her Story«, der von Plan International, Girls Get Equal und dem Geena Davis Institute on Gender in Media zusammengestellt wurde, zeigt sich ein ähnliches Bild: Hier stehen 67 Prozent männliche Charaktere 33 Prozent weiblichen Charakteren gegenüber. Dafür wurden die einnahmestärksten Filme aus dem Jahr 2018 analysiert. Außerdem wurden nur acht Prozent der untersuchten Filme von Regisseurinnen gedreht. Im Leitspruch des Geena Davis Institutes verkapselt sich auf sehr anschauliche Weise die Problematik, die Ungleichheiten dieser Art mit sich bringen: »If she can see it, she can be it.« Heldinnen müssen sichtbar sein, um als Vorbilder für Frauen, egal welchen Alters, fungieren zu können. Diesen Ansatz verfolgt auch der Drehbuchwettbewerb Heldinnen in Serie, der im November 2019 vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ausgeschrieben wurde. Bis zum Einreichschluss gingen 108 Exposés ein, aus denen schließlich sechs Preisträger*innen hervorgingen.
»Filme und Serien sind ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft und besonders auch von Frauenfiguren darin ebenbürtig repräsentiert werden. Der Drehbuchwettbewerb ‚Heldinnen in Serie‘ ist somit ein vielversprechendes Mittel, Frauen in Führungsrollen in Wissenschaft, Wirtschaft und Technik stärker als Vorbilder in der Gesellschaft zu zeigen«, sagt Christine Antlanger-Winter, Country Director von Google Austria und Mitglied der Jury des Drehbuchwettbwerbs. Der unmittelbaren Verstrickung von Film, Wirtschaft und Gesellschaft räumt auch Tatjana Oppitz, Vizerektorin Digitalisierung und Infrastruktur der WU Wien, einen wichtigen Stellenwert ein: »Geschlechterstereotype und kulturelle Konstruktionen von Weiblichkeit wirken sich auf unterschiedlichen Ebenen aus, die Interessenentwicklungen, Potenziale und letztlich Berufsfindungsprozesse strukturieren und die Selbstbilder von jungen Frauen prägen. Die Wirkung dieser Geschlechterstereotype wird durch das Fehlen von weiblichen Vorbildern allen voran in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen sowie in repräsentativen und leitenden Funktionen noch verstärkt. An einer aktiven Herausforderung stereotyper Geschlechterbilder in den Medien führt kein Weg vorbei: Maßnahmen wie der Drehbuchwettbewerb können dazu beitragen, Geschlechterstereotype dank alternativer Genderdarstellungen von starken, beruflich erfolgreichen Frauen zu verändern und somit den Frauenanteil in männerdominierten Berufen zu erhöhen.« Somit ist Gender Equality in der Film- und Serienwelt auf untrennbare Weise mit Geschlechtergerechtigkeit im Berufsleben verknüpft.
Der Filmtheoretiker Lothar Mikos sieht im Kulturprodukt der Fernsehserie eine Form gesellschaftlicher Selbstverständigung. Und somit auch des gesellschaftlichen Selbstverständnisses. »Filme und Serien bilden Gesellschaft nicht nur ab, sie sind auch ein äußerst potentes Mittel, um Bewusstsein zu schaffen«, sagt auch Drehbuchautorin Agnes Pluch, die als Teil der Jury die Exposés bewertete und unter anderem für das Drehbuch zum Film Balanceakt verantwortlich zeichnet. Mit ihrem Projekt Nachtvolk gehören Stefan Wolner und Dietmar Zahn zu den Preisträger*innen des vom BMDW organisierten Drehbuchwettbewerbs. Wolner weiß ebenfalls um das Spannungsverhältnis zwischen Abbildfunktion und Vorbildcharakter, das die Film- und Serienwelt seit jeher auszeichnet: »Wir kommen aus einem System, in dem fixe Gesellschaftsbilder existieren. Fernsehen und Film sind immer ein Abbild davon, wie es einer Gesellschaft gerade geht. Es ist immer noch stark in den Köpfen vieler Filmemacher*innen verankert, dass eine männliche Figur besser funktioniert als eine Frauenfigur. Ich glaube, dass gerade vieles im Wandel ist und hoffe, dass bald ein Gleichgewicht entsteht.« Durch Streaming-Portale wie Netflix und Amazon Prime ist die Serienlandschaft vielfältiger geworden, davon ist Stefan Wolner überzeugt. Serien wie Working Mums, Good Girls oder Fleabag haben seiner Meinung nach gezeigt, dass es möglich ist, ein breites Publikum für sogenannte »Frauenthemen«, die in Wahrheit immer gesellschaftliche Themen sind, zu begeistern. »Der Schlüssel liegt meiner Meinung nach in der Gestaltung der Hauptfigur. Sie muss nicht von vornherein eine Superheldin sein, aber die Zuseher*innen mit auf ihre Entwicklungsreise nehmen können«, sagt der Autor.
Die Schauspielerin und Autorin Konstanze Breitebner gehört ebenfalls zu den Preisträger*innen des Wettbewerbs. Ihre Geschichte trägt den Titel »800 Gramm Leben« und entwickelte sich aus einem Interview mit einer Ärztin, die heute als Vorreitern auf dem Gebiet der Neonatologie bezeichnet werden kann. Auch Konstanze Breitebner ist davon überzeugt, dass die Serienlandschaft durch die Vielfalt verschiedener Streaming-Angebote diverser geworden ist. »Leider kann man das über das Fernsehgeschäft noch nicht sagen«, merkt sie an. »Das ist schade, denn auch im Fernsehen sollten nicht immer und immer wieder dieselben Geschichten erzählt werden.« Der Begriff Heldin hat sich für Konstanze Breiteber seit der Arbeit an ihrem Drehbuch stark verändert. »Früher war eine Heldin für mich ein überirdisches, strahlendes Wesen. Jetzt sind Heldinnen für mich Frauen, die etwas beherrschen, die helfen, heilen, beraten können. Das Wichtigste bei einer Heldin ist für mich aber, dass sie das gegen alle Widerstände durchhält. Sie ist nicht stur oder engstirnig, aber bleibt bei ihrem Ziel.« Ein Thema, das relevanter nicht sein könnte, schließlich war während der vergangenen Monate immer wieder von den Heldinnen des Alltags die Rede. Im Lockdown wurden sie Abend für Abend beklatscht, Tageszeitungen begannen plötzlich, sich für Pflegekräfte und Supermarktkassiererinnen zu interessieren. Inwiefern diese Sichtbarkeit von Nachhaltigkeit geprägt sein wird, muss nun beobachtet werden. »Wichtig ist, dass es nicht nur bei Worten und nicht nur beim Titel Heldin bleibt, sondern tatsächlich etwas getan wird, um die Frauen in diesen Berufsgruppen zu unterstützen«, wendet Stefan Wolner ein. Ein Drehbuchwettbewerb, der starke Frauen in den Fokus rückt, kann dazu beitragen den Begriff Heldin mit starken Bildern zu unterfüttern. Schließlich gilt: »If she can see it, she can be it.«