Sheconomy: Wenn ich Sie zum Einstieg so direkt fragen darf, warum setzen Sie als Mann sich so stark für das Thema »Gender Equality« ein?

Robert Franken: Wo anfangen? (lacht) Ich weiß, ich bin das Gegenteil von Vielfalt, trotzdem fand ich es schon immer ungerecht, dass unser System nur für eine Gruppe von Menschen gebaut worden ist und alle anderen sich zu ihrem Nachteil anpassen müssen. Um erstmal einen Einstieg zu finden, habe ich mich mit weiblichen Biografien und Zugängen beschäftigt sowie meine Rolle als Vater, Sohn, Partner, Mitarbeiter, Chef, aber auch Freund dazu genutzt, zuzuhören. Was mir schnell klar wurde? Je mehr man sich damit beschäftigt, umso schlimmer wird letztendlich die Erkenntnis. Dass diese asymmetrischen Geschlechterverhältnisse mit die sichtbarsten Elemente der Schieflage unserer Gesellschaft sind, war mir klar, nur begann für mich hier ein völlig neuer Lernweg. Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass es allerhöchste Zeit wäre, Männer* als Teil des Problems oder auch als Ursache miteinzubeziehen. So kam es unter anderem auch zu »Male Feminists Europe«.

»Mittelfristig bin ich aber auch skeptisch, dass es uns gelingen wird, an einer gemeinsamen Zukunft in Gesellschaft/Arbeitswelt zu arbeiten, wenn wir das Ganze so binär angehen.«

Sheconomy: Als Gründer des Netzwerks »Male Feminists Europe« wissen Sie um die Bedeutung von Netzwerken im Kontext der Gleichberechtigung. Was halten Sie allerdings von der überwiegenden Homogenität in diesen?

Robert Franken: Ich habe da eher eine differenzierte Sicht darauf. Es gibt mit Sicherheit eine Daseinsberechtigung für homogene Netzwerke, egal ob als Safe Space oder zum Erfahrungsaustausch mal ganz unter sich. Mittelfristig bin ich aber auch skeptisch, dass es uns gelingen wird, an einer gemeinsamen Zukunft in Gesellschaft/Arbeitswelt zu arbeiten, wenn wir das Ganze so binär angehen. Wir laufen ja ohnehin Gefahr, dass wir uns in dem Thema Gender Equality gegeneinander ausspielen lassen. Männern* wird häufig suggeriert, dass die Frauen* ihnen etwas wegnehmen wollen. Dass in »Gender Equality« genauso viel Potential für Männer* wie für Frauen* steckt, da steigen viele nicht durch.

Sheconomy: Sie sprechen immer wieder von Männern als (Mit-)Ursache von Ungleichheiten. Worin sehen Sie eine Möglichkeit die verhärteten »Fronten« abzubauen?

Robert Franken: Ich glaube, dass man gut daran tut, ein Thema zu suchen, das nicht Mann*/Frau* oder Diversity lautet. Man muss Geschlechtergerechtigkeit an Kontexte knüpfen, die für alle Relevanz haben und auch einen gewissen Handlungsbedarf suggerieren. Ansonsten wird das ganz schnell zu einer Art Interessenvertretung und man befindet sich wieder in so einem Gegeneinander. Ein typisches Beispiel dafür wäre die Quote, denn da gehen ja schon sehr viel Männer* auf die Barrikaden. Sie haben das Gefühl, ihnen werde etwas weggenommen, was natürlich eine sehr subjektive und auch sehr erratische Wahrnehmung ist. (lacht) Wenn man aber irgendwie über einen anderen Weg zu der Diskussion »Wie wollen wir zukünftig und gemeinsam miteinander leben und arbeiten?« kommt, könnten im Zuge der Diskussion auch einzelne Maßnahmen wie eine Quote zur Anwendung kommen. So hat das ein anderes Selbstverständnis als politisches Agenda Setting.

Sheconomy: Definitiv ein interessanter Punkt, nur ist das, wie Sie bereits gesagt haben, in der Praxis nicht sehr oft der Fall. 75 DAX-Konzerne haben sich sogar zu weiterer Planung mit Zero-Diversity im Vorstand ausgesprochen. Wie erklären Sie sich das?

Robert Franken: Ich habe tatsächlich bei dieser Formulierung der Zielquote »Zero« schon an mehreren politischen Stellen nachgefragt, woher denn dieses verbale Framing kommt. Offensichtlich müssen sie das so ähnlich und auf diese Art formulieren. Doch warum tun sie das überhaupt? Weil man sie lässt! Auf rechtlicher Ebene versucht man in Deutschland gerade einzuführen, dass so etwas mittelfristig nicht mehr möglich ist, auch wenn diese Schritte bei genauerer Betrachtung eher als politisches Signal einzuordnen sind. Ein offenbar durchaus notwendiges Signal. Auf der Ebene der Verbraucher*innen lässt man Unternehmen solche Entscheidungen durchgehen, wenn Produkte oder Dienstleistungen nicht abgelehnt werden. Dies wäre ein effektiver Hebel: Klar zu signalisieren, dass dies weder zeitgemäßes unternehmerisches Handeln darstellt, noch in irgendeiner Art nachhaltig, und schon gar nicht gesellschaftlich verantwortlich ist. Aber Sie haben mich gefragt, was ich zu dieser Zielquote »Zero« sage: Ich glaube sie ist mehr Symptom eines kaputten Systems als böswillige Absicht von Individuen. Das ergibt sich einfach durch das Zusammenspiel dieser systemischen Rahmenbedingungen – so schlimm das ist!

»Ich will meinen Sohn nicht dazu drängen, dass er irgendwann mal meint, über einen anti-feministischen Weg gegen seinen Vater oder seine Mutter rebellieren zu müssen.«

Sheconomy: Schlimm ist fast kein Ausdruck. Wie können wir also künftige Generationen dabei unterstützen, dieses »kaputte System« zu verändern?

Robert Franken: Das ist nicht so einfach. In der Erziehung meines Sohnes achten wir zum Beispiel sehr darauf, wie wir ihm das Thema näher bringen. Ich will ja kein Exempel an ihm statuieren, und ihn auch nicht dazu drängen, dass er irgendwann mal meint, über einen anti-feministischen Weg gegen seinen Vater oder seine Mutter rebellieren zu müssen. (lacht) Wir versuchen ihm vorzuleben, dass Rollenverteilung fluide sein kann. Er soll wissen, dass es keine Zuschreibungen für ein bestimmtes Geschlecht gibt, was eines besser kann, als ein anderes. Das kann man nur vorleben, mit seinen Entscheidungen muss man ihn schlussendlich in Ruhe lassen. Und je älter er wird, umso besser kann man natürlich »rein fragen«, was denn die Basis gewisser Entscheidungen ist. Was mir noch dazu einfällt ist Nils Pickerts Buch »Prinzessinnenjungs«. Es sollte viel mehr Aufmerksamkeit bekommen, weil sich darin viele lebensnahe Tipps befinden, wie man Jungs erziehen kann in einer hoffentlich irgendwann gleichberechtigten Gesellschaft.

Sheconomy: Das ist mal ein Ausblick, an dem wir gerne motiviert weiterarbeiten werden. Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Robert Franken: Sehr gerne!

Zur Person: Robert Franken arbeitet als Unternehmensberater in Transformation, Strategie und digitalem Wandel mit den Schwerpunkten Organisationskulturen, Diversity und Gender Equality. Neben der regelmäßigen Entkräftung stereotyper Rollenbilder in der Erziehung seines Sohnes hat er aber auch selbst das Netzwerk »Male Feminists Europe« mitbegründet. Dies und vieles mehr: https://digitaletanzformation.wordpress.com/author/derherrfranken/

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