Grün, nachhaltig, sozial gerecht – durch die gezielte Verbreitung irreführender Informationen stellen sich Unternehmen häufig verantwortungsvoller dar, als sie tatsächlich sind. Zielt die Vermarktung auf ein grünes Image ab, wird dies als Greenwashing bezeichnet. Werner Boote, Regisseur des Dokumentarfilms „The Green Lie“, bezeichnet „jede Art der Schönfärberei“ als „verwerflich“. Ein Gespräch darüber, wie Greenwashing gestoppt werden kann.
Ist überall, wo grün draufsteht auch tatsächlich grün drinnen? Hinter vielen Produkten, die als nachhaltig, natürlich und umweltfreundlich vermarktet werden, steckt Greenwashing. Der Begriff bezeichnet den Versuch von Unternehmen, sich selbst oder einzelne Produkte umweltfreundlich darzustellen, indem gezielt irreführende oder falsche Informationen verbreitet werden. Dass das grüne Image einiger Konzerne eine Lüge ist, thematisiert der Regisseur Werner Boote in dem Dokumentarfilm „The Green Lie“. Auch vier Jahre nach seiner Erscheinung ist der Film aktuell: Privatpersonen sind tagtäglich damit konfrontiert, vermeintlich verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen – etwa durch den Kauf eines „grünen“ Nutella-Tiegels oder durch das Tätigen nachhaltiger Investments. Mangels entsprechender Gesetze liegt es derzeit an den Konsument:innen, Greenwashing zu erkennen. Aber wie kann diese Praktik eingedämmt werden? Werner Boote im Gespräch.
Herr Boote, sind Sie nach der Corona-bedingten Pause nun wieder vermehrt für Filmdrehs unterwegs?
Werner Boote: In Bezug auf Filmdrehs war die Coronazeit eine sehr nachhaltige Zeit. Der ökologische Fußabdruck von Filmcrews ist eine Katastrophe. Als Regisseur:in reist man außerdem nach Abschluss der Dreharbeiten um die Welt, um den Film zu vermarkten. Seit der Pandemie ist das allerdings etwas anders. Es wird zum Beispiel akzeptiert, dass man bei Filmfestivals via Zoom anwesend ist – auch jetzt noch. Früher wurde ein Film nur zu einem Festival eingeladen, wenn der Regisseur persönlich dort war.
2018 erschien Ihr jüngster Dokumentarfilm, The Green Lie. Wie ist die Idee entstanden, einen Film über Greenwashing zu drehen?
Werner Boote: In meinem ersten Dokumentarfilm, Plastic Planet, ist die Industrie nicht besonders gut weggekommen. Deshalb hatte mein Produzent die Idee, einen Film über ‚die Guten‘ zu drehen. Also über Unternehmen, die sich bemühen. Als ich angefangen habe zu recherchieren, fand ich keinen Konzern, der nicht Dreck am Stecken hatte – obwohl sie sich grün vermarkteten. Das zweite ausschlaggebende Ereignis war, als ich Plastic Planet bei den Filmfestspielen in Berlin präsentiert habe und anschließend von einem Mann angesprochen wurde, der sich als Siegelhersteller bei mir vorgestellt hatte. Er machte mir das Angebot, dass ich meinen nächsten Film mit einem „CO2-neutral“-Qualitätssiegel kennzeichnen lassen könne. Ich fand das absurd, man fliegt für solche Filmdrehs schließlich um die ganze Welt. Das sei aber kein Problem, meinte er. Er könne so ein Siegel für einen Preis von 3.000 Euro ausstellen. Da wurde mir klar: Wenn es bei mir so funktioniert, dann wird es bei den großen Konzernen nicht anders sein.
„Wir müssen Menschenrechte und die Rechte der Natur an vorderste Stelle stellen – und das müssen wir global angehen.“
Es ist bekannt, dass solche Siegel undurchsichtig sind. Umweltorganisationen wie Greenpeace oder GLOBAL2000 führen aus diesem Grund Siegel-Checks durch. So wird Konsument:innen geholfen, Greenwashing zu erkennen. Welche Möglichkeiten gibt es Ihrer Meinung jedoch, um Greenwashing ganz einzudämmen?
Werner Boote: Ich denke, dass es wichtig ist, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Seien es Filme, Beiträge in den Medien oder Gespräche im Freundeskreis. Je präsenter das Thema ist, desto schwieriger wird es für Konzerne, mit grünen Lügen Erfolg zu haben. Und desto eher wird die Politik veranlasst, zu handeln. Lasche Gesetze haben es schließlich überhaupt erst ermöglicht, dass Konzerne mit solchen Lügen davonkommen. Konzerne versuchen den größtmöglichen Profit herauszuschlagen, Menschenrechte rücken dabei meistens in den Hintergrund. Wir müssen Menschenrechte und die Rechte der Natur an vorderste Stelle stellen – und das müssen wir global angehen.
Wie meinen Sie das genau?
Werner Boote: Ich glaube, dass es nur global funktioniert. Obwohl es bereits viele Ansätze gibt, traut sich niemand damit zu beginnen. Wenn sich ein einzelnes Land gegen einen transnationalen Konzern stellt, dann muss es mit Schwierigkeiten rechnen. Wenn alle nachziehen, erübrigt sich dieses Problem.
Eine Möglichkeit sind Lieferkettengesetze, wie es sie bereits in Deutschland oder Frankreich gibt.
Werner Boote: Genau! Auch in Österreich gibt es bereits eine Initiative für ein Lieferkettengesetz. Das unterstütze ich auch. So ein Gesetz ist unumgänglich, aber es dauert leider sehr lange, bis es durchgesetzt wird. In der Zwischenzeit bereiten sich die großen Konzerne schon längst auf diese Umstellungen vor, ohne Zwang setzen sie diese jedoch nicht um.
„Durch das Zögern von Seiten der Politik, wird die Umwelt seit über zehn Jahren unnötigerweise weiter belastet.“
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Werner Boote: Ich wurde 2010 eingeladen, um vor den Chefs der größten Zigarettenkonzerne eine Rede über meine Erkenntnisse aus ‚Plastic Planet‘ zu halten. Dort hat sich herausgestellt, dass sich alle Tabakriesen bereits damals darauf vorbereitet hatten, Zigarettenfilter nicht mehr aus Plastik, sondern aus biologisch abbaubaren Kunststoffen herzustellen. Es handelte sich um geringe Mehrkosten, die dadurch verursacht wurden. Obwohl sie plastikfreie Filter also schon vor zwölf Jahren auf den Markt bringen hätten können, ist es bis heute nicht geschehen. Weil sie nicht gesetzlich dazu gezwungen wurden und freiwillig geschieht es nicht. Durch das Zögern von Seiten der Politik, wird die Umwelt also seit über zehn Jahren unnötigerweise weiter belastet. Das ist tragisch, da uns die Zeit davonrennt.
Dass uns die Zeit davonläuft, zeigt auch der neue IPCC-Bericht des UN-Weltklimarats. Sind sie optimistisch, dass wir noch die Kurve kratzen?
Werner Boote: Ich möchte keine Prophezeiungen abgeben. Alle, die sich schon mal damit beschäftigt haben, wissen aber, dass die Kacke am Dampfen ist und dass wir unser Handeln in vielen Bereichen verändern müssen. Und zwar in eine Richtung, die umweltschonender und sozialer ist. Die Politik muss handeln, das ist klar. Politiker:innen machen im Endeffekt das, was in der Gesellschaft gerade Thema ist. Desto mehr Menschen also darüber reden, desto eher passiert etwas.
Sie haben 2018 selbst die Bewegung ‚Artists for Future‘ in Österreich gegründet. Wie sehr hat sich in dieser Hinsicht bereits etwas durch Bewegungen wie diese und ‚Fridays for Future‘ getan?
Werner Boote: Artists for Future habe ich gemeinsam mit einem deutschen und italienischen Kollegen gegründet. Solche Bewegungen bewirken, dass Umweltschutz ins Bewusstsein der Menschen rückt. Je mehr darüber geredet wird, desto eher kommen andere Menschen auf Ideen, was sie in ihren Branchen verbessern können. Meiner Meinung nach führen bestimmte Verhaltensänderungen auch dazu, dass die eigene Lebensqualität steigt.
„Ich bin kein Freund von zu vielen Gesetzen, aber wenn es um Umweltschutz und Menschenrechte geht, dann funktioniert es nicht anders.“
In The Green Lie nehmen sie die Haltung einer Person ein, die sich noch nicht besonders viel mit Umweltschutz beschäftigt hat, die Werbelügen gerne glaubt und Angst davor hat, auf etwas verzichten zu müssen. Ihre Co-Protagonistin Kathrin Hartmann womansplaint Sie hingegen den ganzen Film über. Wie ist dieses Konzept entstanden?
Werner Boote: (lacht) Ja, das stimmt! Es war immer mein Wunsch, einen Dokumentarfilm gemeinsam mit einer Partnerin oder einem Partner zu drehen. Kathrin Hartmann und ich haben uns in einer Talkshow kennengelernt und bald gemerkt, dass wir zwar aus unterschiedlichen Branchen kommen, aber ähnliche Ziele verfolgen. Die Rollenverteilung im Film hat sich dann ganz natürlich ergeben. Zum Thema Verzicht: ich denke nicht, dass man in diesem Zusammenhang von Verzicht sprechen darf, wenn Menschen ihr Land verlieren, nur damit wir Produkte günstig einkaufen können. Verzicht würde bedeuten, dass ich finde, dass mir etwas zusteht.
Greenwashing ist nicht das einzige Problem. Auch soziale Verantwortung wird oft fälschlich suggeriert, Stichwort Pinkwashing. Verhält es sich hier wie beim Greenwashing, dass strengere Gesetze etwas bewirken würden?
Werner Boote: Generell ist jede Art der Schönfärberei verwerflich, weil sie nicht der Wahrheit entspricht. Ob es eine grüne, eine pinke, eine weiße oder eine blaue Lüge ist – es bleibt eine Lüge. Sobald sich Konzerne besser darstellen als sie sind oder kleine Teilbereiche stark mit Werbekampagnen in den Mittelpunkt rücken, sollte man besonders genau hinsehen. Bei all diesen Schönfärbereien kommt am Ende das gleiche raus: die Profiteure des traditionellen Systems scheuen wirkliche Veränderung und behindern den Fortschritt. Solange nachhaltiges Handeln oder Diversität freiwillig bleibt, bewegt sich nichts. Ich bin kein Freund von zu vielen Gesetzen, aber wenn es um Umweltschutz und Menschenrechte geht, dann funktioniert es nicht anders.
Zur Person
Werner Boote ist ein österreichischer Filmregisseur und Autor. Für seinen ersten ersten Kinofilm, Plastic Planet (2009), gewann Boote mehrere internationale Auszeichnungen und die österreichische Romy in der Kategorie Bester Kinodokumentarfilm. Danach folgten weiter TV-Dokumentationen mit sozialpolitischem und gesellschaftskritischem Fokus, darunter Population Boom (2013) und Alles unter Kontrolle (2015). 2018 erschien sein jüngster Dokumentarfilm, The Green Lie – Die grüne Lüge, in Österreich und Deutschland. Der Film wurde mittlerweile auf allen Kontinenten gezeigt und feierte Weltpremiere auf der Berlinale.