StartOpinion"Im Brennpunkt": Innovative Szene, alte Muster

„Im Brennpunkt“: Innovative Szene, alte Muster

Start-ups gelten als die Brutstätte von Innovation schlechthin. Wirft man allerdings einen Blick auf das aktuelle Monitoring der österreichischen Szene, so erscheint deren Gründertum kaum weniger konventionell aufgestellt als der Rest der heimischen Wirtschaft.

Erst vor wenigen Tagen kam der neue Austrian Start-up Monitor heraus, der genau das widerspiegelt, was in Diskussionen zunehmend gern als Klischee herab gespielt wird: Die Mehrheit aller Start-ups wird in Österreich von Männern gegründet (64%) – der Rest von Frauen (36%). Gleichzeitig sind, gesamt gesehen, 29 % der Frauen auf Geschäftsführer-Ebene tätig, der Rest sind Männer (71%). Fällt Ihnen der Gap auf? Er ist nicht rasend groß – sieben Prozentpunkte –, aber er erzählt uns: Dass Frauen offenbar Unternehmen gründen, bei denen sie an einem bestimmten Punkt gern auf einen männlichen Geschäftsführer zugreifen und sich selbst im Hintergrund halten. Das erstaunt gewissermaßen.

Eine der Erklärungen für solche Entscheidungen liegt vermutlich im Alter: Mehr als die Hälfte aller Start-up-Gründerinnen sind 39 Jahre oder jünger (55,5%). Das bedeutet: Frauen ziehen meist in jenen Jahren ein Unternehmen hoch, in denen sie Kinder bekommen beziehungsweise großziehen. In nicht wenigen Fällen holen sie sich – wenn es sich um ein rein weibliches Start-up handelt – offenbar einen männlichen Partner an Bord oder sie ziehen sich, bei „gemischten“ Gründungen für die Dauer der Karenz oder Kindererziehung soweit zurück, dass sie den Männern die Geschäftsführung überlassen. Erkenntnis Nummer eins: Es ist leichter einen Mann zu finden, der sich um die Geschäfte kümmert, als einen Vater, der die gleichberechtigte Aufteilung der Erziehungsaufgaben ernst nimmt – sodass die Frau (nach kurzer Pause) ihre Tätigkeit erneut aufnehmen kann.

Was die Zahl der Gründungen selbst betrifft, erzählen diese auch Einiges über die Möglichkeiten junger Frauen zu Geld zu kommen: Ihre Kreditanfragen werden um fast ein Viertel häufiger abgelehnt als jene von Männern. Oft bekommen sie schlechtere Konditionen, obwohl ihre Darlehenssummen im Allgemeinen niedriger sind als jene von männlichen Kreditnehmern. Ist doch seltsam, nicht? Dem gegenüber steht nämlich die Tatsache, dass ihre Start-ups seltener in Konkurs gehen und sie häufiger dranbleiben (63,6%) als Männer (49,4%), die sich nach einiger Zeit ganz gern zu neuen Ufern aufmachen.

Erkenntnis Nummer zwei: Die österreichische Start-up-Szene ist konventioneller aufgestellt, als es ihr vermutlich selbst recht und/oder oft bewusst ist. Der Start-up Monitor zeigt einmal mehr, dass es für gute Ideen und Unternehmensgründungen von Frauen kein Entstehen und/oder Weiterkommen gibt, wenn nicht die entsprechenden gesellschaftlichen Strukturen geschaffen werden. Konkret bedeutet das: Bessere Kinderbetreuung, attraktivere Karenzmodelle für Männer – aber damit müsste es endlich ein gleiches Einkommen bei gleicher Leistung geben. Das mag mittlerweile alles sehr abgedroschen klingen, aber nachdem sich seit Jahrzehnten in dieser Hinsicht in Österreich wenig und das jedenfalls zu langsam verbessert, müssen diese längst fälligen Schritte wieder und wieder eingefordert werden.

Interessant ist: Vor allem in ihrer zweiten beruflichen Lebenshälfte (ab 40) gründen Frauen kaum seltener als Männer. Zahlreiche Studien schreiben ihnen dabei – weil sie als weniger risikoaffin gelten – höhere Erfolge und mehr Nachhaltigkeit zu. Auch das ist eine der großen Ungerechtigkeiten: Dass junge, ambitionierte Frauen, die ein Berufs- und Karriereziel haben, sich mehrheitlich nach wie vor zwischen zwei möglichen Lebenswegen (mit Vertröstung auf spätere Zeiten) entscheiden müssen. Männer können jederzeit alles haben. Auch das erzählt dieser jüngste Start-up-Report. Leider.

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