StartInnovationNew Work"Mentale Gesundheit stärkt die Bindung zum Unternehmen"

„Mentale Gesundheit stärkt die Bindung zum Unternehmen“

Dr. Lena Reiß misst, wie wohl sich Mitarbeitende in Büros, Firmenzentralen und anderen Orten fühlen. Die Ergebnisse sollten Arbeitgeber gerade im aktuellen Wettbewerb um Talente und „Quiet Quitting“ aufhorchen lassen.

Was machen Sie als Head of Health and Wellbeing in einer Beratung für Immobilien?

Ich arbeite bei Drees & Sommer an der Schnittstelle Mensch und Immobilie. Mit meiner Arbeit zeige ich, wie Räume auf Menschen wirken und kann dies mit meinem Team evidenzbasiert untersuchen und entsprechend verbessern.

Wie funktionieren entsprechende Untersuchungen?

Vereinfacht gesagt können wir aus verschiedenen Ebenen des Erlebens in einem Raum Messbarkeit erzeugen. Dafür haben wir in langer Entwicklungsarbeit, unter anderem in meiner Promotion im „Health and Wellbeing Score“ 16 Kategorien mit insgesamt 70 Parametern herausgefiltert. Dieser liefert belastbare evaluierte Daten.

Wie lässt sich das konkret ermitteln?

Wir haben z.B. im Auftrag der Design Offices Gruppe die Aufenthaltsqualität und die Vorteile flexibler Arbeitsumgebungen untersucht. Konkret ging es mit 16.500 Quadratmetern Fläche um einen der größten Standorte in München, die „Macherei“. Für die Wirkungsanalyse wurden Nutzer:innen in 16 Hauptkategorien befragt, etwa zu Licht, Luft, Akustik, Orientierung oder Nachhaltigkeit. Eine Mischung aus qualitativen Interviews, einer Verhaltensbeobachtung durch so genanntes Shadowing, einer objektiven Bewertungsmatrix für Wellbeing-Parameter, einer Netzwerkanalyse und einer Datenerhebung per Fragebogen brachte dann Kernaussagen hervor.

Welche Kernaussagen lassen sich hier nennen?

Zu den wichtigsten Aussagen zählt sicherlich, dass inspirierende Umgebungen die geistige Flexibilität fördern. Außerdem wirken sich flexible Workspaces positiv auf die Kreativität aus und unterstützen neue Impulse. Damit steigert räumliche Freiheit auch die Innovationskraft. Einige Ergebnisse, die sich für die Arbeit in den Design Offices ergeben haben, lassen sich aus meiner Sicht auch auf andere Unternehmen übertragen: Menschen, die ihren Aufenthaltsort über einen Arbeitstag häufig wechseln und oft zufällige Gespräche führen, sind kreativer und veränderungsbereiter als jene, die das nicht tun.

Haben Sie noch weitere Beispiele?

Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Räume im Bestand zu verändern, so dass flexiblere Arbeit möglich ist und die Identität der Marke spürbar ist. Wichtig ist immer zu schauen, was Menschen in einem bestimmten Raum tun sollen, wie lassen sich die 16 Kategorien erfüllen, die oft unbewusst zu einem besseren Wohlbefinden beitragen, wie lassen sich Immobilien also wieder zurück zum Menschen entwickeln, rehumanisieren? Die ersten Schritte sind häufig, Einzelbüros aufzubrechen, Kollaborationsflächen auch schon in den unteren Stockwerken zu integrieren, auf ausgleichende visuelle Stimulierungen zu achten und etwa durch eine exponierte Treppe in die ersten Etagen mehr Fußläufigkeit zu schaffen.

Was bedeutet das konkret für Unternehmen?

Nur dort, wo sich Mitarbeitende wohlfühlen und sowohl kreativ als auch produktiv arbeiten können, bleiben sie auch langfristig. Die mentale und soziale Gesundheit hat Auswirkungen darauf, wie stark sich Mitarbeitende in einem Unternehmen zugehörig fühlen. Im Wettbewerb um Talente ist das ein Faktor, der nicht unterschätzt werden sollte.

Warum sollten sich Unternehmen darüber hinaus mit diesen Themen beschäftigen?

Messbarkeit des Sozialen und des Wohlbefindens liegt im Trend, der durch Corona noch einmal deutlich verstärkt wurde. Aber ganz praktisch geht es auch darum, dass diese Themenfelder auch im Rahmen der EU Taxonomie Ende 2023 sowie für die Environmental Social Governance (ESG) im Rahmen der Corporate Social Responsibility abgedeckt werden müssen.

 

 

 

 

 

Fotomaterial© Drees & Sommer

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