Schon alleine die Worte »Ausgangssperre« oder »Isolation« fühlen sich in manchen Situationen wie eine auf der Brust sitzende Elefantendame an. Sie ist uns nun zwar schon etwas besser bekannt als noch vor drei Wochen, trotzdem fühlt sich das Ganze immer noch etwas beengend an. In mehrfacher Hinsicht. Für eine kleine Dosis Freiheitsgefühl – im Kopf und auf der Brust – haben wir einige Tipps von Psychologinnen und Psychologen zusammengetragen.
Überall steht es: Durchatmen, Meditation, Lion’s Breath. Doch das unangenehme Gefühl der Unsicherheit in Hinblick auf die kommenden Wochen lässt sich nicht so einfach wegatmen und kann ab und an schon mal etwas beängstigend werden. Deshalb würden wir gerne mit Ihnen gemeinsam versuchen, dieses Gefühl ein wenig aufzulösen – mit oder ohne richtiger Atemtechnik.
Wie schütze ich meine Psyche?
Auf unsere Psyche müssen wir, vor allem bei so viel Zeit zum Nachdenken in den eigenen vier Wänden, besonders gut Acht geben. Die Psychotherapeutin Mag. Elisabeth Schwärzler-Seeber hat sich für unsere Leserinnen und Leser etwas Zeit genommen, um eine kleine Liste mit Möglichkeiten zusammenzufassen, die dabei helfen soll den Kopf vor allzu heftig verknoteten Gedankenknäueln zu schützen: »Gestalten Sie jeden Tag einzeln. Konzentrieren Sie sich nicht auf die gesamte Zeitspanne, die noch vor Ihnen liegt, sondern lieber auf kurze Zeitperioden. So schaffen Sie sich nicht nur einen »bewältigbareren« Überblick, sondern erobern auch Ihr Selbstbewusstsein und Ihre Selbstsicherheit zurück.« Außerdem rät die Psychotherapeutin nicht nur zu zeitlicher sondern auch zu örtlicher Strukturierung. Es braucht Arbeits- und Freizeitphasen, um tägliche Erfolge zu erleben. Mit örtlicher Strukturierung schlägt sie vor »Ecken der Wohnung divers zu gestalten«. Das ermöglicht Ihnen auch auf kleinerem Raum den Arbeitsplatz zu »verlassen«. Abschließend animiert sie noch dazu, »sich täglich mindestens ein paar Minuten für sich selbst zu nehmen«. Die zweifache Mutter und selbstständige Psychotherapeutin weiß, dass das nicht immer so leicht ist, beharrt aber darauf. »Schreiben Sie sich eine Liste mit Tätigkeiten, die Sie gerne tun und planen Sie diese Freizeitphasen fix für jeden Tag ein.«
Auch die »Zeit im Bild« hat wichtige Hilfestellungen von Psychologen und Psychologinnen gesammelt, um gut mit der Ausnahmesituation umzugehen. Ein Gefühl von Sicherheit herzustellen, indem nur Informationen aus qualitativ hochwertigen und vertrauenswürdigen Medien konsumiert werden, ist dabei entscheidend. So können Sie verhindern, dass sich die Gedanken verselbstständigen und die vorher schon erwähnten Gedankenknäuel entstehen. Auch mit ihrem Humor dürfen Sie an dieser Stelle keine Beziehungspause einlegen – er braucht sie mindestens so sehr wie Sie ihn. Bleiben Sie in Kontakt mit ihren Liebsten und lassen Sie auch weiterhin andere Themen ihren Alltags bereichern. Auch so können Sie der Elefantendame etwas Gewicht nehmen. Etwas, das wir Menschen prinzipiell nicht so gerne tun, ist, über unsere Sorgen zu sprechen. Doch gerade dieser Hinweis sollte nicht unterschätzt werden, denn vielleicht überrascht sie ihr Gegenüber und teilt dieselben. Es wurde zwar mittlerweile schon sehr häufig betont, ist aber auch wirklich essentiell: Bewahren Sie sich unbedingt Ihren Rhythmus. Selbstverständlich kann darunter auch die Tanzeinlage morgens vor der ersten Tasse Kaffee verstanden werden, noch wichtiger ist es allerdings, einen Alltags- und Schlafrhythmus zu bewahren.
Warum unsicher?
Der Grund, warum wir das Thema psychische Gesundheit im Rahmen der Covid-19 Beschränkungen ansprechen, ist für uns ganz klar: Wir wollen präventiv unterstützen, denn Zukunftsängste zu haben ist ganz normal. Nur möchten wir nicht weiter dabei zusehen, wie Hamster-Käufer*innen ihre Küchenregale überlasten und Putzfanatiker*innen sich noch die Fingerkuppen wegätzen. Warum wir dieses mulmige Gefühl der Unsicherheit verspüren, hat natürlich viele Gründe, zu denen selbstverständlich gesundheitliche Sorgen, die Angst um Angehörige, aber auch wirtschaftliche Sorgen und Existenzängste gehören. Aber auch der Zustand der Isolation ist nicht zu unterschätzen. »Kurz gesagt: Begeben wir uns für längere Zeit in eine Isolation, so handeln wir entgegen dem, was wir evolutionär gelernt haben. Das bringt uns durcheinander«, erklärt Psychologe und Neurologe Borwin Bandelow.
Er erklärt außerdem, »dass wir Menschen zwei Gehirne haben, das Vernunft-Gehirn und das Angst-Gehirn. Und die beiden arbeiten nicht unbedingt zusammen.« Das Vernunft-Gehirn befasst sich mit der Wahrscheinlichkeit infiziert, aber auch wieder gesund zu werden, während das Angst-Gehirn, um es mit etwas abgewandelten Worten von Bernd Clüver zu formulieren, ruft: »Hier, da und überall, lässt mir Corona keine Wahl.« Der Experte für Angststörungen rät dazu »einen gesunden Fatalismus an den Tag zu legen. Wie beim Befahren der Autobahn, man weiß zwar, dass etwas passieren kann, aber rechnet nicht wirklich damit. Und mit genau dieser Einstellung – dass das Leben zwar gefährlich ist, aber es auch immer eine Möglichkeit gibt, aus misslichen Lagen wieder herauszukommen – sollte man auch dem Virus begegnen.«
Und die Kinder?
Der Schulpsychologe Josef Zollneritsch plädiert stark darauf auch für Kinder eine Schulroutine für zu Hause einzuführen, auch wenn diese eine andere Vorstellung zur Gestaltung der gewonnen Zeit haben werden. »Wenn es jetzt auch keinen regulären Unterricht gibt, so sollte die Zeit doch zum Üben und Vertiefen des Gelernten genutzt werden. Die Kinder werden von den Schulen mit Übungsmaterial versorgt, die geleisteten Arbeiten fließen in die Mitarbeitsnote ein. Es sollte also ein gewisser Ernst bei der Sache sein«, fasst der Leiter der Schulpsychologie in der Bildungsdirektion Steiermark in einem Gespräch mit der APA zusammen.
Er rät dazu die Abwechslung der Fächer sowie vorgesehen Pausen beizubehalten. Auch der Fernseher sollte in Lernphasen keineswegs eingeschaltet werden, um die Konzentration der Kinder nicht zu stören. »Eltern können ihre Kinder motivieren, alte Interessen wieder aufzunehmen – oder Neue zu entwickeln -– und selbst Vorbild dabei sein. Das ist eine Chance, gibt dem Leben eine Richtung und alleine schon das Schmieden von Plänen kann Spaß machen. Das Nachdenken über Selbstbeschäftigung haben wir alle lange vernachlässigt, eine gute Möglichkeit, uns wieder darin zu üben«, ermutigt Zollneritsch.