Die Modebranche hat es im Moment nicht leicht. Fashion Shows werden seit zwei Saisonen ins Netz verlegt und casual Homewear ist am Vormarsch. Wie kann sich diese neuen Herausforderungen einstellen und wo holt man sich Inspration für neuen Kollektionen? Wir haben mit Leyla Piedayesh, Gründerin des Labels LALA Berlin, über das Ausnahmenjahr 2020, die Modebranche in Zeiten der Pandemie und ihre neue Kollektion “Garden of Love” gesprochen.
Wir erreichen Leyla Piedayesh in Berlin, wo die gebürtige Iranerin mit ihrer Familie lebt und arbeitet. Mit neun Jahren kam Leyla mit ihrer Famile nach Deutschland, nachdem sie 1979 vor der iranischen Revolution geflohen waren. Nach beruflichen Stationen als Journalistin und Redakteurin bei den Fernsehsendern MTV und RTL hat Lelya Piedayesh 2004 als Autodidaktin Ihr Label LALA Berlin gegründet. Inspiriert von handgestrickten Pulswärmern, die sie auf einem Flohmarkt entdeckte, entwarf sie ihre erste (selbstgestrickte) Kollektion. Diese war binnen kurzer Zeit ausverkauft. Heute ist LALA Berlin weltweit in über 250 Boutiquen erhältlich und hat einen eigenen Store in Berlin Mitte, der seit Anfang Dezember geschlossen halten muss.
SHEconomy: Sie haben Ihr Label LALA Berlin vor 15 Jahren gegründet. Das vergangene Jahr hat jeden von uns viel gelehrt. Was konnten Sie aus dieser Zeit mitnehmen beziehungsweise was hat sich für Sie als Designerin verändert?
Lelya Piedayesh: Der erste Lockdown war zunächst für uns alle ein Stillstand und eine völlige Entschleunigung. Wir bei LALA Berlin haben bereits vor vier Saisonen mit der Entschleunigung begonnen und beschlossen nur noch eine Show pro Saison zu machen. Also haben wir die Kollektionen auf zwei pro Jahr reduziert und dazwischen kleine Kapselkollektionen gemacht mit 4-5 Kleidungsstücken. Aber selbst das haben wir wieder aufgegeben. Der erste Lockdown war wieder Zeit zu haben, sich umeinander zu kümmern und zu entschleunigen.
Seit 2007 zeigen Sie Ihre Kollektionen auf der Berliner Fashion Week. Seit 2016 auch in Kopenhagen. Die letzten beiden Kollektionen wurden digital präsentiert. Könnten Sie auch in Zukunft auf Fashion Shows verzichten und weiterhin digital präsentieren oder gehören Live-Shows zum Business einfach dazu?
Natürlich hat eine Fashion Show ihren ganz besonderen Reiz. Wenn die Teile präsentiert werden und ich dabei in die Gesichter der Gäste sehen kann, ist das sehr aufregend. Aber jede Show ist auch Stress. Nachdem wir uns bereits vor Corona auf eine Show pro Saison beschränkt haben, ist uns der Umstieg nicht sehr schwergefallen. Der kreative Prozess ist etwas, das Zeit braucht und man sollte nicht von Show zu Show hetzen. Weder als Designer noch als Besucher. Es sollte jedem Designer und jeder Designerin freistehen, ob und wieviele Shows er oder sie machen möchte.
Ihre neue SS 2021 Kollektion heißt Garden of Love und ist geprägt von dem Grundsatz in Einklang und Harmonie mit der Natur zu leben. Wie haben Sie den Grundsatz in dieser Kollektion umgesetzt? Was hat Sie inspiriert?
Als wir begonnen haben an der Sommerkollektion 2021 zu arbeiten, waren wir mitten in der Pandemie. Das Thema Nachhaltigkeit hat uns schon lange beschäftigt. Ich war schon früher mit meiner Tochter auf den Fridays For Future Demonstrationen (Anm.: Demonstration für mehr Klimaschutz) und man beginnt über das Thema Nachhaltigkeit und die Zukunft nachzudenken. Die Frage, was uns wichtig ist, haben wir uns bei der Kreation dieser Kollektion oft gestellt. Die Antwort ist natürlich die Natur. Aus diesen Überlegungen entstanden die Prints mit Bienen und anderen vom Aussterben bedrohten Tierarten.
Haben Sie auch in den Produktionsschritten etwas verändert?
Das ist ein großes Thema bei uns. Man kann natürlich nicht von heute auf morgen alles verändern. Zuerst findet die Veränderung im Geiste statt und dann kann man Schritt für Schritt Änderungen vornehmen. Wir produzieren zum Großteil in Europa, aber wir arbeiten auch mit China zusammen. Wir haben dort von Anfang an vertrauenswürdige Zulieferer gehabt. Wir haben uns oft von der Arbeit vor Ort überzeugt, auch zu welchen Konditionen dort gearbeitet wird. Natürlich wäre es schöner alles vor Ort zu produzieren, so habe ich vor 15 Jahren begonnen. Ich habe selbstgestrickte Pulswärmer verkauft und alles intern produziert. Bei wachsender Größe geht das dann nicht mehr. Ein Unternehmen unserer Größe kann Veränderungen nur Schritt für Schritt vornehmen. Nachhaltigkeit ist und bleibt ein großes Thema hier bei LALA Berlin. Wir haben bereits beim Transport das Flugzeug durch den Zug ersetzt und nehmen längere Transportwege in Kauf. Auch bei der Verpackung haben wir auf recyceltes Plastik umgestellt. Wir beginnen damit uns über nachhaltige Materialien weiterzubilden und dann die geeigneten Schritte zu setzen.
Im 1.Lockdown im März haben sich von Italien ausgehend Designergrößen wie Margarita Missoni, Ulla Johnson oder Temperley London zusammengeschlossen, um die Modeindustrie wieder zu entschleunigen (Rewiring Fashion). Das bedeutet: Weniger Shows, weniger Kollektionen. Ist die Fashionbranche Ihrer Meinung nach überhitzt?
Die Fashionbranche ist natürlich sehr schnelllebig mit ihren Saisonen und Designs. Man hetzt immer hinterher. Weniger Shows sind sicherlich zu begrüßen, auch für die Gäste, die dann nicht mehr von Show zu Show oder von Stadt zu Stadt eilen müssen. So gesehen war eine Überhitzung da. Aber Berlin ist nicht Paris oder Mailand. Durch die Lockdowns und den Stillstand wurde das Lokale wieder sehr kultiviert. Egal ob beim Essen oder der Kleidung. Das hat mir sehr gut gefallen. Es hat sich daraus auch in Berlin mehr Gemeinsames und weniger Wettbewerb ergeben. Rewiring Fashion ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Geschäfte haben in Deutschland seit Dezember geschlossen, voraussichtlich noch bis Ende März. Online Stores haben seit den Lockdowns immer mehr Bedeutung bekommen. Hat sich Ihrer Ansicht nach das Kaufverhalten im letzten Jahr verändert? Weniger Glamour, mehr Pyjama?
Das Online Geschäft ist schon in den letzten drei Jahren immer mehr im Fokus gewesen und es hilft über eine gewisse Schwelle zu kommen. Wir haben sehr viel in unseren Online Shop investiert und das macht sich jetzt bezahlt. Das Kaufverhalten hat sich auf jeden Fall verändert. Es wurde mehr bequeme Kleidung gekauft als elegante Kleider, da es weder Galas gibt noch Restaurants geöffnet haben. Wir haben unsere Kollektion dem auch angepasst und haben weniger Glamour reingegeben, weil es dafür viel mehr Nachfrage gegeben hat. Wir warten jetzt das Sommergeschäft ab, wie sich das entwickelt. Nachdem die Geschäfte nun fast vier Monate geschlossen waren, liegen die Kollektionen brach.
Sie hatten bereits viele Kooperationen, von Kosmetiklinien wie Catrice bis Möbeldesigner Fritz Hansen oder natürlich mit Wollproduzent Lana Grossa. Wonach suchen Sie Ihre Kooperationen aus?
Zum einen ist es das Produkt, mit dem ich mich identifizieren können muss und es authentisch zu mir passt. Wir machen zum Besipiel unser eigenes Garn mit Lana Grossa. Das passt natürlich wunderbar zu uns. Ebenso die Kosmetiklinie, die wir mit Catrice herausgebracht haben, hat in den Farben zur Kollektion von LALA Berlin gepasst. Ich liebe Interior und habe neben meinem Studium in einem Einrichtungsladen gearbeitet, und ich liebe es, zu gestalten. Einen österreichischen Partner hatte ich bisher noch nicht, aber es wäre schön, wenn sich eine Kooperation ergeben würde.
Wie wichtig ist für Sie Social Media in Zeiten der Pandemie?
Ich persönlich bin oft auf Social Media, auch um zu erfahren was draußen los ist. Ich glaube gerade in der Pandemie war dieser Kontakt extrem wichtig für Leute, die alleine waren und so eine gewisse Solidarität spüren konnten. Das finde ich sehr gut an den sozialen Medien. Für uns als Label ist es für Marketingzwecke nicht mehr wegzudenken. Wir haben unsere Spring Summer 21 und auch unsere Herbst Winter Kollektion 21 auf Social Media präsentiert und erreichen damit sehr viele Leute (Anm. LALA Berlin hat auf Instagram 110 k Follower).
Welchen Rat würden Sie heute jungen Designern geben? Was ist Ihrer Ansicht das Wichtigste, um Erfolg zu haben?
Ich finde, es ist das Wichtigste mit Leichtigkeit an die Sache heranzugehen und keine Zwänge zu haben, etwas unbedingt erreichen zu müssen. Dann geht man wesentlich lockerer auf Dinge zu und kann sie leichter umsetzen.
Wenn man ständig nach rechts und links sieht, verliert man seine eigenen Stärken aus den Augen. Wenn ich das zu oft gemacht habe, bin ich immer von meinem eigenen Weg abgewichen. Ich persönlich war nie eine Freundin von Vorbildern. Wenn man sich sagt, ich werde der nächste Karl Lagerfeld, dann ist man es entweder sowieso und damit ein Ausnahmetalent. Oder aber man ist die ganze Zeit damit beschäftigt, einem Vorbild gerecht zu werden, das man nie einholen kann. Man kann dadurch Rückschläge und Niederlagen nicht leicht verkraften. Man muss aber aus Fehlern lernen können und darf sich davon nicht unterkriegen lassen.
Fotocredit: Lottermann & Fuentes
Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe von „SHEconommy – Die neuen Seiten der Wirtschaft“ erschienen.