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„Lesen ist Zeitverschwendung!“ 

Einer der engagiertesten Verlage Österreichs, der Wieser-Verlag, feiert heuer seinen 35. Geburtstag. Dessen Leiterin Erika Hornbogner fordert nun eine breite Bildungsoffensive. Nicht nur, dass Corona dem österreichischen Buchhandel generell zu schaffen macht, ist auch die Jugend lesefaul geworden. Und das nicht ohne Konsequenzen. 

Und was hat das alles mit polnischen Filmen zu tun? Sehr viel. Denn als Denkanreiz sei hier verraten, dass die polnische Filmindustrie in den kommunistischen Jahren sehr produktiv war. So startete im Jahr 1985 in Polen fast jede Woche eine nationale Spielfilmproduktion. Insgesamt besuchten 1985 mehr als 107 Millionen Zuschauer*innen 1,1 Millionen Vorführungen in 2.057 Kinos. Die massenhafte Flucht vor die Kinoleinwand hatte verschiedenste Ursachen. Vor allem aber lag es am Schulunterricht. Dort gehörte nämlich das Medium Film zum Lehrplan, die Schüler*innen mussten sich, ob sie wollten oder nicht, damit auseinandersetzen und besuchten mit Lehrer*innen regelmäßig Kinovorstellungen. Im Anschluss wurde das Gesehene besprochen oder niedergeschrieben. Hin und wieder wurden die Schulen von Filmemacher*innen besucht, und es entwickelten sich angeregte Diskussionen. Diese Vertrautheit mit den bewegten Bildern sorgte unter anderem dafür, dass eine neue Generation von Publikum heranwuchs, das auch nach der Schulzeit ins Kino ging und sogar selbst zu filmen begann. 

Einen ähnlichen Impuls mit demokratischen Rahmenbedingungen bräuchte es heute in Österreich. In einem Land ohne nennenswerte Rohstoffvorkommen sind der Spirit und die Bildung der Bewohner*innen ein wichtiges Kapital, das gehegt und gepflegt werden sollte. Um in der globalen Welt zu punkten und passende Worte für die eigene Kreativität und die Praxis in der Arbeitswelt zu finden, braucht es Eltern und Schulen, die den Kindern die nötigen Tools nahebringen. Dafür braucht es auch Erwachsene, die sich richtig und – bestenfalls – gewählt ausdrücken können. Dies lernen sie aber nicht beim Fernsehen oder in den Sozialen Medien, sondern am ehesten durch Lesen. Nun hat das Coronajahr 2020 dem Buchmarkt einen überraschenden Dämpfer erteilt. Ausgerechnet in jenem Jahr, in dem man sein Heim über Wochen und Monate hindurch kaum verlassen konnte, sank die Lesefreude der Österreicher*innen: Das Umsatzminus lag bei 4,4 Prozent und dürfte sich nun langsam wieder erholen (s. Kasten). Doch damit gibt sich die Kärntnerin Erika Hornbogner (51), Verlagsleiterin in Kärnten bei „Wieser“ und „Drava“, nicht zufrieden. Sie hat einen Lesezirkel gegründet, in dem über Bücher debattiert wird. „Leider kommen nur sehr selten Männer zu uns. Die lesen halt generell weniger Bücher als Frauen und nehmen sich nicht gern die Zeit, um darüber zu sprechen.“ Wir sind ins Zeitalter der digitalen Gesundheit eingetreten und beschäftigen uns ständig mit unserem Körper. Alkohol, Tabak und Fleisch werden eingeschränkt, Bewegung, Radfahren und Vorsorgeuntersuchungen sind angesagt. 

Literatur fördert Persönlichkeitsentwicklung 

„Das Lesen gilt neben dem Schreiben und Rechnen zur wichtigsten Kulturtechnik der Menschheit, und es ist mehr als blamabel, dass ein so reiches Land wie Österreich im internationalen Vergleich so schlecht abschneidet“, sagt Erika Hornbogner. „Wie die Pisa-Studie zeigt, hat sich die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren sogar verschlechtert, und 35 Prozent halten Lesen überhaupt für reine Zeitverschwendung, wobei die Mädchen im Schnitt besser lesen können als die Buben und auch eher zu einem Buch greifen.“  Erika Hornbogner weiß, dass Literatur für die Entwicklung der Persönlichkeit immens wichtig ist: „Leider sehen manche Eltern nur die Schulen in der Pflicht, aber nicht die eigene Familie mit ihrer Vorbildfunktion. Die Schulen allein können Mangelerscheinungen nicht beheben. Man muss keine Expertin sein, um zu wissen, dass Eltern bereits mit 15 Minuten Vorlesen am Tag die Fantasie und den Wortschatz ihrer Kinder fördern.“ Kinder, die mit Büchern aufwachsen, greifen später als Erwachsene meistens selbst zu Büchern und entwickeln ein Faible für die Literatur.  Hornbogner ist das beste Beispiel dafür. Sie selbst ist quasi zwischen Buchdeckeln aufgewachsen, denn sowohl ihre Mutter als auch ihre Halbschwester arbeiteten als Buchhändlerinnen und brachten schon früh Bücher nach Hause, aus denen ihr vor dem Schlafengehen vorgelesen wurde.


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