Mit Inward Outward hat Musikerin Lylit gerade ein ebenso gefühlvolles wie ermutigendes Album herausgebracht. Im Interview haben wir mit ihr nicht nur über das Album, sondern auch über Inspiration, Frauen im Musikbusiness und das Verhandeln von Gagen gesprochen.
In der Wirtschaft ist es ja immer noch so, dass sich Frauen oft doppelt oder dreifach anstrengen oder beweisen müssen und ihre Leistungen trotzdem weniger wahrgenommen werden. Wie ist das in der Musik?
In der Musik ist auffallend, dass es sich vor allem dann noch sehr stark um eine Männerdomäne handelt, wenn es um den Bereich Technik geht. Aber auch als Instrumentalistin ist man sehr schnell in der Unterzahl. Außerdem denke ich, dass es allgemein in der Industrie schon noch so ist, dass man sich als Frauen vielleicht in stärkerem Ausmaß beweisen oder bemühen muss. Unter Kollegen ist es wieder anders und ganz bestimmt nicht so extrem. Aber es gibt natürlich auch Klischees und vorgefertigten Meinungen, wie zum Beispiel, dass Frauen sich mit Groove schwerer tun. Da fühlt man sich in der Zusammenarbeit dann schon immer wieder dazu aufgefordert, sich auch immer wieder neu zu beweisen.
Wie sieht es aus, wenn es um Entlohnung und Gagen geht? Gibt es da große Unterschiede?
Ich glaube, dass es bei uns keinen so großen Pay Gap gibt, wie beispielsweise bei den Schauspielerinnen und Schauspielern. Was man aber schon merkt, ist, dass es für Frauen in Honorarverhandlungen schwieriger ist. Das ist einfach noch viel zu wenig im Rollenbild verankert. Für mich ist das auch ein Grund, warum ich Vorbilder so wichtig finde. Wenn ich eine Frau treffe, die total erfolgreich Honorare verhandelt, dann denke ich mir, dass ich das auch kann. Honorarverhandlungen gehören bestimmt zu einem Themenbereich, den Frauen anders angehen als Männer. Gar nicht softer oder emotionaler, sondern einfach anders. Auch wenn ich selbst Gagen verhandle, merke ich, dass das immer noch ein Thema ist. Frauen, die wissen was sie wollen und was ihnen wichtig ist, werden schnell als kompliziert eingestuft. Dabei sollte das ganz normal sein, denn darum geht es auch, wenn man sich ein Business ausmacht. Das ist aber ganz bestimmt kein Spezifikum der Musikindustrie, sondern zieht sich durch alle Branchen
Glücklicherweise gibt es ja immer mehr Frauennetzwerke und diese werden auch immer präsenter. Wie ist das in der Musikbranche? Fühlst Du dich gut vernetzt?
Ich bin auf alle Fälle gut vernetzt und habe glücklicherweise auch eine Gruppe von Frauen, mit der ich mich regelmäßig treffe. Dabei handelt es sich zwar nicht um ein offizielles Netzwerk, aber wir sind allesamt Kreative aus dem Musikbusiness. Es sind unglaublich nährende Treffen und Freundschaften. Ich finde das auch deshalb so wichtig, weil es für uns alle im Leben immer um die gleichen Themen geht. Und genau wegen dieser Themen sind Netzwerke so unglaublich wichtig. Die Stutenbissigkeit, die Frauen ja immer wieder vorgeworfen wird, kenne ich eigentlich nicht. Und das, obwohl in der Musikindustrie schnell das Gefühl entsteht, dass nur wenige Frauen wirklich Erfolg haben und es deshalb keinen Platz gibt. Und wenn es keinen Platz gibt, blickt man schnell neidisch auf jemand anderen, der gerade das lebt, was man sich für das eigene Leben wünscht. Aber eigentlich – und das wird glücklicherweise auch immer präsenter – ist es wichtig, dass man sich zusammentut und sich auch gegenseitig unterstützt. Dann merkt man in der Regel auch sehr schnell, dass einfach viel mehr geht, wenn man zusammenhält.
Du warst ja längere Zeit in Amerika, bist dann wieder zurück nach Österreich gekommen. Hast Du Unterschiede wahrgenommen – gerade in Bezug auf die Rolle von Frauen im Musikbusiness?
Das ist für mich schwer zu beantworten und dann auch wieder gar nicht, weil ich in Amerika nur mit Männern gearbeitet haben. Es gab eine Studio-Managerin, mit der ich bis heute noch gut befreundet bin. Aber in den ausführenden Positionen saßen eigentlich nur Männer. Bei dem großen Label, bei dem ich war, gab es nur eine Frau. Sie war für Marketing zuständig. Das ist in Österreich schon ganz anders und da tut sich in Zukunft auch bestimmt auch noch sehr viel mehr.
Ab wann konntest Du von der Musik leben? Und könntest Du dir jetzt vorstellen, von etwas anderem zu leben?
Ich hatte nie einen Plan B, also kann ich mir bis heute nicht vorstellen, von etwas anderem als der Musik zu leben. Und obwohl das Musikbusiness ja verschiedene Gesichter hat, wollte ich immer wirklich von der Musik leben und nicht etwa vom Unterrichten. Im Musikgymnasium, also so ab 16, habe ich schon sehr viele Konzerte gespielt und mir dadurch auch einiges dazuverdient, sodass ich nie einen regulären Ferialjob machen musste. Und dann war das eigentlich ein fließender Übergang. Man kann also sagen, dass ich wirklich von Beginn weg von der Musik gelebt habe.
Du lebst also von deinen Aufritten und vom Schreiben?
Ja, genau. Von meinen eigenen Projekten, aber ich habe zum Beispiel auch für Radios Jingle-Pakete eingesungen oder Texte fürs Radio eingesprochen. Mein Haus habe ich also schon auf verschiedene Pfeiler gebaut, aber ich habe nie Dienstleistungsmusik gemacht. Das war mir immer fremd. Es war immer mein Ziel, meine künstlerische Integrität zu behalten und daraus wollte ich auch das meiste Einkommen ziehen.
Gab es Phasen, in denen du Zweifel hattest, dass sich genau das nicht ausgeht?
Ich komme aus einer Familie, in der es ausschließlich Beamte und Angestellte gab und gibt. Mir wurde das Investieren in eine eigene Sache – und zwar total und ohne Rücksicht auf Verluste – also nie wirklich vorgelebt. Eine meiner größten Challenges ist deshalb, in solchen Momenten ruhig zu bleiben und mir selbst auch vorzusagen, dass zwar gerade viel Geld investiert wurde, es aber auch wieder zurückkommt. Wäre ich in einer Familie mit vielen UnternehmerInnen aufgewachsen, dann würde das, glaube ich, schon etwas anders aussehen. So musste ich mir diesen Mut schon hart erarbeiten. Und an diese Wellenbewegungen muss ich mich auch jetzt noch gewöhnen, obwohl ich schon seit vielen Jahren selbstständig bin.
Du hast ja auch das aktuelle Album von Tom Neuwirth (Conchita) geschrieben. Wie unterscheidet sich die Arbeit für einen anderen Künstler von der Arbeit an den eigenen Songs?
Ich finde die Unterschiede gar nicht so groß. Der kreative Prozess ist eigentlich der gleiche. Aber es gibt natürlich andere Bewertungsmuster. Wenn ich für jemand anderen schreibe, dann hat die- oder derjenige auch das letzte Wort. Das macht es aber manchmal sogar ein bisschen leichter. Der kreative Prozess ist aber vor allem deshalb sehr ähnlich, weil ich ja immer nur dann schreiben kann, wenn ich auch inspiriert bin. Das lief dann zum Beispiel beim Album für Conchita so ab, dass ich von ihm ganz viele Texte bekommen habe. Er hat seine Gedanken aufgeschrieben, also hatte ich so eine Art Gedankenmasse, aus der ich immer wieder Dinge herausgelesen habe, die mich dann auch zum Schreiben inspiriert haben. Ich kann allerdings nicht für jemand anderen schreiben und parallel an meinen eigenen Songs arbeiten. Dieser Switch zwischen den verschiedenen Ästhetiken funktioniert für mich nicht.
Um nochmal kurz auf das Thema Inspiration und gleichzeitig auf dein kommendes Album und dessen Titel »Inward Outward« zurückzukommen: Wie leicht fällt dir der Blick nach innen? Was muss dafür alles passen, damit das gelingt?
Dieser Blick nach innen ist mir extrem wichtig. Ich gehöre zu den Menschen, die immer nach der Wahrheit suchen und tue mir sehr schwer, wenn irgendwo keine Wahrhaftigkeit ist. Und ganz besonders dann, wenn ich kreativ bin und tatsächlich über etwas schreiben möchte, das mich auch berührt. Dann muss ich immer vorher nach innen schauen und da irgendwie andocken, bevor ich mit irgendetwas nach außen gehen kann. Deshalb steht schlussendlich auch »Inward Outward« auf diesem Album. In der Toskana, wo große Teile des Albums letztendlich auch entstanden sind, ist mir das sehr gut gelungen. Wir waren dort einfach total abschnitten von irgendeiner Form von Alltag. Dafür gab es dort viel Stille und Weite. Und einen wunderschönen Ausblick. Ich bin eigentlich ein sehr urbaner Mensch, aber diese Weite hat etwas in mir ausgelöst, das ich dann in meiner Musik sehr gut verwerten konnte. Die Inspiration kommt bei mir sehr oft aus der Stille und ist auch immer sehr emotional. Wenn mich ein Treffen oder ein Gespräch total berührt, dann bin ich sehr schnell emotional aufgeladen und möchte danach immer etwas schreiben. Ich würde es also so formulieren: Die Inspiration kommt für mich einerseits aus der Stille, andererseits aber auch aus sozialen Kontakten, also aus Treffen und Gesprächen.
Was bedeutet Empowerment für Dich?
Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, das mehr empowering ist als auf der Bühne zu stehen. Es ist einfach wunderschön, wenn man etwas, das man selbst kreiert hat, auch anderen zeigen kann. Wenn es dann eine Austausch zwischen mir und dem Publikum gibt, dann ist kann das schon sehr magisch sein. Das gelingt natürlich nicht bei jedem Konzert, aber wenn es passiert, dann ist es unglaublich empowering. Das Thema etwas anders betrachtet, kann ich auch sagen, dass ich, als Chefin des Unternehmens Lylit, ja schon hin und wieder »typische Männerrollen« einnehmen muss und da auch merke, dass ich als Frau manchmal an Grenzen stoße bzw. es eine große Aufgabe sein kann, sich durchzusetzen. In genau diesen Momenten habe ich auch bemerkt, wie wichtig mir das Thema Empowerment ist. Und da kommen dann natürlich auch wieder die Vorbilder ins Spiel und die gegenseitige Unterstützung. Deshalb finde ich es auch sehr schön, dass mein Team fast nur aus Frauen besteht. Das war von mir eigentlich gar nicht so beabsichtigt, aber wenn man innerlich solche Schwerpunkte setzt, trifft man diese Entscheidungen wohl einfach automatisch.