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Warum uns die Fußball-EM 2022 der Frauen so kickt

Frauen-Fußball rückt durch die EM 2022 stärker denn je in den Fokus von Publikum, Medien und Werbetreibenden. Ein guter Moment, um mehr zu fordern und Strukturen zu überprüfen.

 

Meine journalistische Karriere begann mit sehr kalten Füßen. Am Spielfeldrand der heimischen Fußball Kreisliga-Mannschaft lauerte ich auf Tore für meinen Bericht, aber vor allem auf das Ende der Partie. Das Thema Fußball zieht sich durch meine gesamte Laufbahn, ich durfte beruflich die Eröffnung der Fußball WM 2006 in München miterleben und ebenso verfolgen, wie hart Verhandlungen um Bundesliga-Rechte sein können. Nicht zuletzt habe ich meinen Mann in der Fankurve am Ascheplatz im Ruhrgebiet angefeuert und Sie dürfen raten, für welches Hobby sich mein Sohn begeistert.

 

Das Thema Frauen-Fußball kam seit den 1980er Jahren dabei kaum vor. Ob im Lokalsport oder im großen Rechtepoker: Die Damen spielten – wenn überhaupt – nur am Rande mit. Als meine Nichten mit dem Kicken im Verein starten wollten, fand sich nur ihr eigener Vater als Trainer. Selbst die zahlreichen Weltmeister-Titel der deutschen Mannschaft wurden in den Medien eher klein gecovert, die beste Sendezeit war für etwas anderes reserviert.

 

Doch in diesem Jahr wendet sich das Blatt. Die Frauen Fußball-EM in England zieht so viele Zuschauende an wie nie zuvor. Die Einschaltquoten der Live-Übertragungen der Gruppenspiele sind durch die Decke gegangen. Das Gruppenspiel Finnland gegen Deutschland – bei dem sich die deutschen Fußball-Damen mit einem 0:3 durchsetzen konnten – verfolgten fast 6 Millionen Menschen vor den Fernsehern auf ZDF mit. Das Match Österreich gegen Norwegen, bei dem sich die ÖFB-Damen mit einem Tor durch Nicole Billa den Sieg schnappten, verfolgten knapp 900.000 Zuseher:innen auf ORF 1 mit und jubelten gemeinsam mit der Nationalmannschaft vom Sofa aus, wie mein Kollege Jonathan Weidenbruch in unserem wöchentlichen Newsletter berichtet.

 

Auf unserer Couch sitzen nun auch mein Mann und mein Sohn. Immer höre ich echte Anerkennung für Spielzüge und Tore, das Auftreten der Frauen-Teams überzeugt und das Hinschauen macht einfach Spaß. Woran das liegt? Das Niveau habe sich inzwischen deutlich gesteigert. Technik, Taktik und Zusammenspiel hätten eine neue Ebene erreicht, lautet das Urteil „meiner“ Experten. Die haben auch eine klare Erklärung für diese Veränderung: Die Strukturen werden professioneller, etwa durch die Möglichkeit, Vollzeit zu trainieren. Die erfolgreichsten Frauen-Mannschaften sind inzwischen diejenigen, die große Vereine im Hintergrund haben. Zum Beispiel der FC Bayern in Deutschland oder der FC Barcelona in Spanien.

 

Rekordprämie statt Kaffeeservice

 

Die attraktiven EM-Partien haben nun einen ebenso attraktiven Programmplatz bekommen, da die WM der Männer ja erst im November beginnt. Somit also ein guter Moment, um sich die Strukturen genauer anzuschauen. Denn von Equal Pay und gleichen Startbedingungen ist der Frauen-Fußball trotz aller Fortschritte und neuer Aufmerksamkeit noch meilenweit entfernt. Zwar gibt es vom DFB kein 41-teiliges Kaffeeservice mehr wie noch 1989, und Funktionär Oliver Bierhoff spricht von einer „Rekordprämie“, die den deutschen Frauen bei einem Turniersieg mit 60.000 Euro winkt. Trotzdem ist die Spanne noch immer enorm, auch seitens der UEFA. Die verteilt bei der Frauen-EM 2022 insgesamt 16 Millionen Euro an Prämien, während es bei den Männern 2021 insgesamt 331 Millionen Euro gab.

 

Hier muss es endlich mehr Bewegung in den noch immer stark männlich dominierten Organisationen geben. Die Zutaten haben alles für einen guten Wirtschafts-Krimi – es geht um Geld, es geht um Macht und die harte Währung Aufmerksamkeit. Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärte die deutsche Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg: „Der Auftrag an die FIFA und die UEFA ist, dass es irgendwann ein Prämiensystem gibt, wo es für alle gleich ist, das würden wir uns wünschen. Ich sage aber auch, dass das, was im Männerfußball passiert, einfach überdimensioniert ist. Das sind Bereiche, die der normale Fan nicht mehr nachvollziehen kann.“

 

Genau deshalb sind Initiativen so wichtig, die die etablierte Fußball-Welt aufmischen. Sei es die zweifache Weltfußballerin Megan Rapinoe, die mit ihren Mitstreiterinnen eine Einigung zur Lohngleichheit im US-Fußballverband erreicht hat oder die Übernahme des FC Viktoria Berlin durch ein deutsches Gründerinnen-Team um Ariane Hingst und Verena Pausder. (Sheconomy berichtete).

 

Der Österreichische Fußballbund kalkuliert trotz des hohen Interesses mit einem Defizit. Zumindest denselben Prozentsatz der Einnahmen als Prämien auszubezahlen, wie es etwa aus Spanien berichtet wird, mache laut ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold keinen Sinn, weil es keinen Nettoerlös gäbe. „Es gibt keinen Kuchen aufzuteilen“, erklärte der Chef der ÖFB-Wirtschaftsbetriebe GmbH. „Bei den Männern gibt es diesen Kuchen.“ Die „Cashcow“ Männer-Nationalteam will der ÖFB nutzen, um Projekte quer zu finanzieren, unter anderem den Frauenfußball. „Wir sind trotz des Defizits bereit, voller Überzeugung in das Produkt zu investieren.“

 

Der Frauen-Fußball hat die Chance, professioneller und sichtbarer zu werden. Es wird höchste Zeit, veraltete Rollenbilder zu verändern und mehr Gleichstellung auch im Sport zu erreichen. Ein Blick herüber zum Tennis könnte hier ein Ansporn sein, wo etwa die längeren Ballwechsel genau den Charme und die Attraktivität der Matches ausmachen. Auch im Frauen-Fußball ist diese Entwicklung möglich. Die Women’s EM 2022 könnte dafür ein wichtiger Kick-off sein.

 

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