Marlene Engelhorn polarisiert. Seit die 30-jährige Millionenerbin 2021 an die Öffentlichkeit getreten ist, hat sie ordentlich Staub aufgewirbelt. Mit ihrem kürzlich erschienenen Buch „Geld“ geht der Tabubruch rund um die Themen Erbschafts- und Vermögenssteuer in die nächste Runde.
Kurz nach der Veröffentlichung der Monographie trafen sich Engelhorn und der Wirtschaftsjournalist Michael Nikbakhsh zum Gespräch auf der Bühne des Vorstadt-Beisls „Zur Kulisse“ in Wien Hernals. Sheconomy war dabei und hat sich die Diskussion live angehört.
Die Spur des Geldes
„Ein Prozent der Österreicher:innen besitzt 50 Prozent des Vermögens. Die unteren 50 Prozent teilen sich drei Prozent.“ – Das ist einer der ersten Sätze, die an diesem Abend von Marlene Engelhorn zu hören ist. Und tatsächlich gehört Österreich zu den internationalen Schlusslichtern, was Vermögenssteuern betrifft. Diesen Umstand greift sie auch in ihrem Buch auf und erklärt, warum es aus historischer Sicht durchaus Sinn machen würde Einkommen zu entlasten und Vermögen zu belasten und wie es ihr vor diesem Hintergrund als befremdlich erscheint, dass sich vor allem das Lager der traditionsbewussten Konservativen so vehement dagegen stemmt.
Im Laufe des Abends erzählt sie, wie es war, in einem sehr vermögenden Haushalt aufzuwachsen. Davon, wie in solchen Familien über Geld nie gesprochen wird, denn es ist ja schließlich immer genügend da und somit einfach kein Thema. Aber auch davon, wie abgeschottet die Elite ist, in der man von Kindesbeinen an gelernt hat, das eigene Ich über Käufliches zu definieren. Vermeintliche Luxusprobleme für Normalsterbliche, markerschütternde Existenzkrisen für die Superreichen: „Wer bin ich ohne dieses Geld?“
Ein Käfig aus Gold
Dass sie sich heute so energisch für eine Besteuerung von Vermögen einsetzt, schreibt sie dem Studium an einer öffentlichen Universität, der Uni Wien, zu. Dort sah sie sich zum ersten Mal mit gänzlich anderen Lebensrealitäten als ihrer eigenen konfrontiert. Das war der Zeitpunkt, an dem sie anfing, Fragen zu stellen. Bis heute ist sie all jenen Personen sehr dankbar, die sich damals mit ihr zusammengesetzt und geredet haben. Die Worte eines Kommilitonen sind ihr besonders in Erinnerung geblieben: „Du willst auch aus deinem Käfig ausbrechen. Aber vergiss nicht: er ist aus Gold.“
Dass Engelhorn mit ihrer Sicht der Dinge nicht alleine ist, beweisen Initiativen wie taxmenow und Millionaires for Humanity. Im Rahmen der von ihr mitbegründeten Initiative taxmenow setzen sich Vermögende im deutschsprachigen Raum für Änderungen im Steuersystem ein. Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, nutzen sie, unter anderem, ihren privilegierten Zugang zu den Medien. Ein ähnliches Ziel verfolgt Millionaires for Humanity auf internationaler Ebene.
Engelhorn und Nikbakhsh harmonieren miteinander. Was beide verbindet, ist ihre unaufgeregte Art. Ihnen gelingt es einfach, faktenbasiert und möglichst unpolemisch an die Materie heranzugehen. Etwas, woran die meisten scheitern, wenn es um so emotional aufgeladene Debatten wie etwa zur Verstrickung von Macht und Geld geht. Denn was der Diskussion rund um Vermögenssteuern oft fehlt, ist die Greifbarkeit für den:die Durchschnitts-Österreicher:in. Umso erfrischender ist es, dass die beiden nicht wahllos mit Fachbegriffen und leeren Worthülsen um sich werfen, sondern klare und nachvollziehbare Worte für den Status Quo finden.
Mit ihrem Buch beleuchtet die Germanistik-Studentin das Thema Geld aus politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, historischer und ganz persönlicher Sicht. In verständlicher Sprache wird erklärt, warum (zu) viel Geld auch (zu) viel Macht bedeutet und dieser Umstand unsere Demokratie gefährde. Was sie meint, wenn sie von „Überreichtum“ spricht und es ihr eigenartig erscheint, dass wir zwar eine klar definierte Armutsgrenze haben, aber keine Definition für den Punkt an dem Wohlstand in Überreichtum kippt. An anderer Stelle versucht sie mit Mythen wie dem:r „Selfmade-Millionär:in“ aufzuräumen und erzählt, weswegen die Philanthropie reicher Menschen nicht so barmherzig sei wie sie zunächst erscheinen mag und sie vor diesem Hintergrund nicht viel von Stiftungen halte. Ihre persönliche „Geldgeschichte“ und Erfahrungen ziehen sich als roter Faden durch die 175 Seiten. Der konstante Wechsel von Fragen, Fakten und persönlichen Erfahrungen macht „Geld“ zu einem kurzweiligen Lesevergnügen.
Seit der Erscheinung ihres Erstlingswerks hat es Engelhorn international in zahlreiche namhafte Medien geschafft, darunter die New York Times und Le Monde. Anfang dieses Jahres wurde das Buch im Rahmen des Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch mit dem Anerkennungspreis ausgezeichnet, in der Jahresumfrage von FM4, „FM4 Exit Poll 2022“, wurde „Geld“ in der Kategorie „Buch des Jahres“ auf den 8. Platz und Marlene Engelhorn in der Kategorie „Held:in des Jahres“ auf den 6. Platz gewählt.
Zur Person
Marlene Engelhorn ist die Enkelin der 2022 im Alter von 95 Jahren verstorbenen Traudl Engelhorn-Vechiatto und deren bereits 1991 verstorbenen Gattens Peter Engelhorn. Peter Engelhorn war seines Zeichens ein Ur-Enkel Friedrich Engelhorns, dem Gründer des deutschen Chemiekonzerns BASF. Rund 20 Jahre nach der Gründung des BASF schied Friedrich Engelhorn aus dem Vorstand des Unternehmens aus und wurde Mitgesellschafter der Boehringer-Mannheim-Gruppe. Die großen Anteile an dem Pharma-Unternehmen verkaufte die Familie 1997 um 11 Milliarde Dollar. Laut eigenen Angaben wird Engelhorn einen zweistelligen Millionenbetrag erben.