Jede fünfte queere Person verheimlicht ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz. Darunter auch viele lesbische Frauen. Grund dafür ist häufig die Angst vor Mobbing und beruflichen Nachteilen. Ängste, die leider immer noch Realität sind. Warum ein Coming Out dennoch wichtig ist und was Unternehmen tun können, um inklusiv zu sein.
Obszöne Kommentare, Gerüchte, Ausgrenzung. Rund 60 Prozent der queeren Personen in Österreich haben solche Erfahrungen am Arbeitsplatz zumindest einmal gemacht. Hierzulande arbeiten rund 200.000 bis 300.000 Personen, die der LGBTIQ+ Gemeinschaft angehören. Sie sind lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter*, asexuell oder fallen in eine andere Kategorie der Buchstaben-Community. Viele sind in der Arbeit geoutet, andere noch nicht, und wieder andere haben es nicht vor. Oft sind die Bedingungen am Arbeitsplatz für queere Menschen nicht sicher. Ein Coming Out könnte negative berufliche Konsequenzen nach sich ziehen oder sie in Gefahr bringen. Ausschlaggebend ist oft die Branche.
Verschweigen und Verstellen am Arbeitsplatz
Queere Menschen arbeiten häufig in Branchen, die als liberal gelten. Berufsfelder wie die Medien, Gastronomie, Kultur und Unterhaltung etwa. Auch der öffentliche Sektor ist ein großer Arbeitgeber, dementsprechend sind auch viele queere Personen in Schulen und Krankenhäusern angestellt. Egal in welcher Branche sie tätig sind, von Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung berichten fast alle queeren Personen. In einer Befragung der Arbeiterkammer über die Arbeitssituation queerer Menschen in Österreich gaben 30 Prozent der Teilnehmer*innen an, berufliche Benachteiligungen erlebt zu haben. Die Erfahrungen reichten von fehlender Wertschätzung bis hin zu Schlechterstellung bei Beförderungen.
Es ist keine Überraschung, dass sich angesichts dieser Zahlen viele LGBTIQ+ Menschen nicht wohl genug fühlen, sich in der Arbeit zu outen. Rund jede fünfte Person verheimlicht die eigene sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz. Die internationale Befragung der Boston Consulting Group „Out at Work“ zeigt, dass sich Frauen in Deutschland noch seltener outen als Männer und Non-binäre Personen. Zudem sind lesbische und bisexuelle Frauen sowie trans* Personen häufiger von Diskriminierung betroffen, da sie nicht nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, sondern auch aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden.
Vor den Kolleg*innen outen
Bei Frauen kommt der Umstand hinzu, dass der Outing-Prozess manchmal auch erst später im Leben stattfindet. Nicole Mayer vom Frauennetzwerk Queer Business Women gibt deshalb zu bedenken, dass ein späteres Coming Out am Arbeitsplatz für Frauen mit größeren Schwierigkeiten verknüpftsein kann. „Arbeitnehmer*innen, die schon länger im Unternehmen tätig sind und sich in der Vergangenheit noch nicht geoutet haben, tun sich damit verständlicher Weise schwerer. Jüngere Mitarbeiter*innen sowie Personen mit einem höheren Bildungsgrad oder besonders gefragten Skills können sich natürlich leichter outen. Sie werden nämlich wenige Probleme damit haben im Notfall einen anderen Job zu finden. Oft sind die Sorgen und Ängste aber zum Glück unbegründet. Jedoch muss jede Frau für sich entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt für sie gekommen ist.“
Obwohl es eine große Hürde zu sein scheint, ist Nicole Mayer dennoch der Meinung, dass es essentiell ist sich am Arbeitsplatz zu outen. „Sichtbarkeit ist wichtig. Niemandem ist damit geholfen, wenn man so einen wichtigen Teil seines Lebens verheimlicht. Nachdem man so viel Zeit in der Arbeit verbringt, sollte man sich dort schließlich wohl fühlen. Outen sich Personen aus Angst vor Mobbing oder Jobverlust nicht, dann sind damit extrem negative Emotionen verbunden und die Arbeitskräfte können ihre Potenziale niemals voll entfalten“ so Mayer.
Am einfachsten ist es normalerweise, sich vor den engsten Kolleg*innen zu outen. In einem Gespräch über den letzten Urlaub kann etwa nebenbei erwähnt werden, dass man ihn mit der*dem Partner*in verbracht hat. Nicole Mayer selbst outet sich bereits im Bewerbungsverfahren: „Für mich ist es wichtig zu wissen, dass es mit dem zukünftigen Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin hier kein Problem gibt. Persönlich habe ich damit auch immer sehr positive Erfahrungen gemacht.“ Es gibt viele Möglichkeiten, sich als Bewerberin über das zukünftige Unternehmen zu informieren. Plattformen wie kununu und Glassdoor, auf denen Arbeitgeber*innen bewertet werden, können aushelfen. Außerdem zeigen viele Unternehmen ihr Engagement für LGBTIQ+ Themen öffentlich, das hilft auch dabei sich für ein passendes Unternehmen zu entscheiden.
Was können Unternehmen tun?
Manche Führungskräfte denken, dass Aussagen wie „Ich interessiere mich nicht für das Privatleben meiner Mitarbeiter*innen“ oder „Mir doch egal mit wem ihr zusammen seid“ von Toleranz zeugen. Das Gegenteil ist der Fall. Auf der einen Seite werden damit Diskriminierungserfahrungen von LGBTIQ+ Personen nichtig gemacht. Ihnen wird die Gültigkeit entzogen, da Führungskräfte vorgeben nicht – auch nicht unbewusst – zu unterscheiden. Andererseits werden Menschen durch solche Aussagen lediglich auf ihre Arbeitskraft reduziert, der Mensch hinter der Arbeit wird bedeutungslos. Ein Zugang, der unabhängig von der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität unangenehm für alle Mitarbeiter*innen ist. „Wir alle wollen für einen Arbeitgeber arbeiten, der uns auch als Mensch sieht. Jede*r sollte als der Mensch wertgeschätzt werden, der er oder sie ist, ganz unabhängig von der sexuellen Orientierung,“ sagt Nicole Mayer.“
Kampf um junge Talente
Die jüngste arbeitende Generation ist die Generation Z. Jede sechste Person dieser Altersgruppe gibt an, sich der LGBTIQ+ Community zugehörig zu fühlen. Es ist die queerste Generation aller Zeiten. Um diese jungen Talente müssen sich Unternehmen verstärkt bemühen. Bei der Wahl eines Unternehmens achten queere Personen besonders darauf, ob das Unternehmen klare Regeln gegen Diskriminierung von LGBTIQ+ Personen hat, ob die Mitarbeiter*innen nicht verpflichtet sind in Queer-feindlichen Ländern zu arbeiten und ob es ein unternehmensinternes LGBTIQ+ Netzwerk gibt. Solche Netzwerke bieten die Möglichkeit, sich in einem sicheren Rahmen auszutauschen und zu vernetzen. Mittlerweile bieten viele große, internationale Konzerne solche Netzwerke an und setzen innovative Konzepte um. Aufholbedarf sieht Nicole Mayer hier noch bei KMUs: „Die meisten Österreicher*innen arbeiten in Klein- und Mittelunternehmen. Gerade in diesem Bereich fehlen jedoch häufig Initiativen zu Diversity und Inclusion, zumindest dringen sie selten an die Öffentlichkeit.“
Zudem gibt es auch externe Netzwerke wie etwa Queer Business Women, dem sich alle lesbischen und bisexuellen Frauen im Berufsleben anschließen können. Gerade bei Fragen wie Coming Out am Arbeitsplatz ist ein Erfahrungsaustausch sehr wertvoll. Unter den Mitfrauen finden sich Unternehmerinnen, Führungskräfte, Selbstständige sowie Angestellte aller Hierarchien und Studierende. Gemeinsam mit der AGPRO bilden die Queer Business Women zudem den Verband Pride Biz Austria, der alle zwei Jahre den Meritus-Award vergibt. Ausgezeichnet werden damit Unternehmen und andere Organisationen, die durch vorbildliches Diversity Management im Bereich sexuelle Orientierung und Geschlechtervielfalt hervorstechen.
Die Einreichungs-Phase für den Meritus-Award 2021 läuft noch bis September. Nähere Informationen finden Sie hier.