Geht es um psychische Erkrankungen, ist man auch heute noch sehr schnell in einem Bereich unterwegs, über den nicht gerne gesprochen wird. Mit der digitalen Plattform Instahelp möchte CEO Bernadette Frech diese Barrieren noch weiter aufbrechen. Außerdem setzt sie sich dafür ein, dass psychologische Beratung endlich leistbar wird.
Während des Lockdowns und der Ausnahmesituation, die diesen überhaupt erst notwendig gemacht hat, sind bei Instahelp einige Themen bestimmt verstärkt aufgekommen. Wie hat sich das entwickelt?
Nach der anfänglichen Schockstarre, die sehr viele Menschen gespürt haben, sind die Beratungsgespräche bei uns deutlich gestiegen. Und auch die Themen haben sich verändert. Mit der Zeit kamen immer mehr Fragen zum Thema Partnerschaft auf, aber auch zu depressiven Verstimmungen, die aller Wahrscheinlichkeit nach als Folge akuter Einsamkeit vermehrt angetreten sind. Aber auch das Thema Ängste war vor der Krise nicht so stark ausgeprägt. Während des Lockdowns waren es vor allem Ängste rund um die eigene wirtschaftliche Lage, aber auch solche mit Fokus auf die eigene Gesundheit, die die Menschen vermehrt beschäftigt haben. Die Beratungsfrequenz ist nach dem Lockdown nicht wirklich zurückgegangen, dafür haben sich die Themenfelder wieder etwas verändert. Das Thema Familie steht jetzt mehr im Vordergrund, was mit Sicherheit darauf zurückzuführen ist, dass die Schul- und Betreuungssituation nicht wirklich gut gelöst wurde und es in vielen Familien zu Überlastungen gekommen ist. Wir haben erst vor kurzem eine Umfrage unter unseren Kund*innen gemacht, bei der 40 Prozent der befragten Personen angegeben haben, dass sich ihre mentale Gesundheit durch Corona verschlechtert hat.
Trotz allem wurde in den vergangenen Wochen immer wieder auch von der Krise als Chance gesprochen. Wie siehst du das?
Auch wenn solche Phasen, in denen die Bewegung auf unserer Plattform zunimmt, eigentlich nicht als erfreulich einzustufen sind, gibt es zwei Punkte, die mich trotz aller Belastungen positiv stimmen. Ich denke da zunächst einmal an das Thema Digitalisierung. Gerade im Gesundheitswesen ist es zwar schon lange ein Thema, allerdings gab es immer sehr viel Gegenwind und Widerstand. Momentan merke ich, dass das Verständnis ein anderes geworden ist und von verschiedenen Seiten immer deutlicher wahrgenommen wird, wie wichtig es ist, eine gute digitale Gesundheitsvorsorge sicherzustellen, die komplementär funktioniert. Aber nicht nur die Akzeptanz in der Gesellschaft ist gestiegen, auch die Gesprächsbasis mit den Entscheidungsträger*innen hat sich verbessert.
Hoffst du also, dass Corona auch dazu beitragen hat, dass psychische Belastungen oder Erkrankungen enttabuisiert werden?
In Österreich ist es ja so, dass wenn Krankheit zum Thema wird, sich eigentlich immer alles auf die Physis konzentriert. Sobald es in Richtung Psyche geht, ist man nach wie vor sehr schnell in einem Tabubereich. Dadurch, dass während der letzten Monate sehr viele Menschen selbst gespürt haben wie sich psychische Überlastung anfühlt, ist die Akzeptanz gestiegen. Vielleicht sogar in Richtung eines Umdenkens. Mentale Gesundheit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesundheit und ich hoffe, dass es in Zukunft zu einer Gleichstellung oder zumindest zu einer Annäherung zwischen Physis und Psyche kommt. Wenn es einem nicht gut geht, sagt man gerne: »Schlaf doch einfach eine Nacht drüber.« Doch das reicht oft nicht aus. Diesen Punkt sollte man erkennen und dann auch dementsprechend handeln. Bei Verkühlungen, Zahnschmerzen gehen wir zum Arzt. Wenn wir psychisch belastet sind, sollten wir auch trauen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Gibt es Länder, die uns bei diesem Thema voraus sind?
Als Vorreiter müssen hier definitiv die USA genannt werden. Dort wurde das Thema nicht nur vollkommen enttabuisiert, es ist darüber hinaus sogar ein Lifestyle-Thema geworden.
In Artikeln und anderen Beiträgen war in den letzten Wochen vermehrt von Resilienz die Rede. Ist Resilienz die Eigenschaft der Stunde?
Resilienz bedeutet, dass man die eigene Widerstandskraft stärkt, um Veränderungen und Unsicherheiten gestärkt gegenübertreten zu können. Da es in der letzten Zeit zu einer Häufung solcher Unsicherheiten gekommen ist, hat sich parallel dazu auch der Begriff stärker manifestiert. Auch wir haben eine Kampagne hochgezogen, die sich mit dem Thema befasst. Unter dem Titel »Wir machen Europa mental stark« präsentieren wir zwei Trainings, die von den beiden Testimonials Toto Wolff und Florian Gschwandtner angeleitet werden. Beide sprechen über unterschiedliche Facetten von mentaler Stärke, die wiederum eng mit dem Bereich der Resilienz zusammenhängen. Ein Psychologe kommentiert die Aussagen der beiden Testimonials und unterfüttert sie mit zusätzlichem Input. Zum Schluss gibt es dann auch eine Übung, die im Endeffekt ebenfalls eine Resilienzübung ist. Wir bieten diese beiden Trainings kostenfrei an, weil wir auf unserer Plattform gesehen haben, dass psychische Belastungen seit Corona stark zugenommen haben, und wir darauf reagieren wollen. Aber nicht jede und jeder kann sich psychologische Beratung leisten und zusätzlich braucht es noch sehr viel Aufklärungsarbeit. Wir sind als Team sehr ideell getrieben und möchten wirklich etwas verändern.
Instahelp berät ja nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen. Wie kann man sich das vorstellen?
Wir hatten schon vor Corona Unternehmen wie Lidl, Trivago und Renault an Bord und es sind in den vergangenen Wochen noch einige mehr geworden. Die Unternehmen, die sich an uns wenden, möchten in ihrer betrieblichen Gesundheitsvorsorge eine zusätzliche Komponente abdecken, nämlich jene der psychischen und mentalen Gesundheit. Wir bieten deshalb im Zuge der Zusammenarbeit mit Unternehmen One-to-One-Beratungen für Mitarbeiter*innen an, die sie sich selbstständig ausmachen und einteilen können und für die sie auch nicht selbst bezahlen müssen.
Welche Rolle kam der psychischen Gesundheit bisher im Bereich der Arbeitsmedizin zu?
Mein Eindruck ist, dass es sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Man kann das Ganze sehr »checklistenartig« abarbeiten oder man nimmt das Thema ernst und setzt konkrete Maßnahmen. Manche Unternehmen setzen zur Vorsorge beispielsweise auch Meditationen ein. Das reicht aber manchmal einfach nicht mehr aus. Beratungen, die auf die individuelle Situation einer Person abgestimmt sind, sind sehr erfolgsversprechend und das merken auch die Unternehmen immer stärker.
Du bist ja nicht nur CEO von Instahelp, sondern auch in der Start-up-Szene sehr aktiv. Wie lange begleitet dich das Thema Female Empowerment schon?
Ich finde, dass das Thema ein extrem wichtiges ist und versuche mich deshalb auch auf mehreren Ebenen zu engagieren und einzubringen. Wenn ich auf Unis und Fachhochschulen unterrichte, dann immer mit einem speziellen Fokus auf Female Entrepreneurship. Ich bin auch strategische Leiterin des Global Entrepreneurship Monitors, befasse mich also auch mit internationalem Benchmarking in diesem Bereich. Ich schaue mir die Lage des Unternehmertums in Österreich an und achte natürlich auch hier auf dieses Thema. Es ist definitiv noch viel zu tun, auch im Startup-Setting.
Wie fühlst du dich in deiner Führungsrolle? Wii würdest du deinen Führungsstil beschreiben?
Ich bin eine sehr empathische Leaderin. Als Unternehmen stehen wir für mental wellbeing, deshalb mir wichtig, dass es uns miteinander gut geht und wir eine offene Kultur pflegen. Ein wertschätzender Umgang miteinander ist definitiv einer unserer Schlüsselwerte. Außerdem bin ich sehr visionsgetrieben.
In Österreich werden nach wie vor nur sehr wenige Unternehmen von Frauen geführt. Woran liegt es, dass sich unser System hier nur so langsam verändert?
Wir leben in einem System, das historisch gewachsen ist – es braucht also Zeit, um dieses Bild zu verändern. Allerdings zeigen uns andere Länder, dass es möglich ist. Was es ganz dringend braucht, sind Netzwerke wie beispielsweise die Female Founders, denn auch hier sind uns die Männer einiges an Zeit voraus. Als zweiten wichtigen Punkt würde ich gerne die Kompetenzstärkung erwähnen. Frauen können sich selbst stärken, Vertrauen in ihre Fähigkeiten entwickeln und trauen sich dadurch dann auch hoffentlich mehr zu. Was es zu darüber hinaus zu verändern gilt, ist die Ermöglichung der karriereorientierten Arbeit neben einer Familie.
Wie geht es nun bei euch weiter?
Wir wünschen uns, dass sich möglichst viele Menschen von unserer Kampagne, die am 10. Oktober, am Tag der mentalen Gesundheit, ihren Höhepunkt findet, angesprochen fühlen. Mentale Gesundheit ist für uns ein so wichtiges Thema, dass wir hier ein Umdenken bewirken möchten. Außerdem wollen wir unsere Kooperationen ausbauen. Dabei geht es uns vor allem darum, dass psychologische Beratung leistbar wird. Sie sollte ein integraler Bestandteil von Versicherungen werden und im besten Fall sogar eine Krankenkassenleistung werden. Wir arbeiten schon jetzt mit Unternehmen zusammen, die diese Forderungen teilen.