Weniger Sozialleistungen für Teilzeit-Arbeitende? Der österreichische Arbeitsminister Martin Kocher hat mit dieser Anregung eine hitzige Debatte angestoßen – und diese sollte sich nicht in Bashing versus kritiklosem Ja erschöpfen.
Betrachten wir das Thema so differenziert, wie es ihm gebührt. Wie so oft lohnt auch hier der Blick aus verschiedenen Richtungen. Von Unternehmen wird aktuell Flexibilität eingefordert – sowohl zeitlich als auch räumlich. Daran führt aufgrund der demografischen Entwicklung kein Weg vorbei. Für Frauen ist Teilzeit jedoch oft eine Karrierefalle, die weniger Verdienst bedeutet und das traditionelle Rollenbild zementiert. Die große Frage lautet: Arbeiten wir in Zukunft alle „nur mehr“ in Teilzeit?
In der Kindererziehung ist längst klar, dass Strafe kein Mittel ist, um erwünschtes Verhalten zu erzeugen. Viel besser wirken Belohnung und Vorbilder. Menschen, die eine Teilzeitstelle haben, sollen dafür aber Nachteile erleiden?
Zugegeben, der Fachkräftemangel, der inzwischen schon ein Arbeitskräftemangel geworden ist, hat sich für immer mehr Betriebe zur größten Herausforderung entwickelt. Die lässt sich aber nicht bestehen, indem wir Teilzeitarbeitende – und das sind vor allem Frauen – über die monetäre Schiene zu mehr Arbeit zwingen wollen. Das wäre wie Peitsche ohne Zuckerbrot!
Schauen wir uns zunächst einmal den Status quo an. In Österreich arbeiteten laut Statistik Austria im Jahr 2021 nur 11,6 Prozent der Männer, aber 49,6 Prozent der Frauen in Teilzeit. Unter den Müttern mit Kindern unter 15 Jahren waren es etwa zwei Drittel. Ähnlich sieht es in Deutschland und der Schweiz aus, aber sonst nirgendwo in Europa – außer in den Niederlanden, wo nach Statista sogar 64,7 Prozent der Frauen und 22,7 Prozent der Männer einen Teilzeit-Job haben. Es gibt allerdings einen großen Unterschied zu Österreich: Teilzeit entspricht in Holland einem Lebensstil, während hierzulande in erster Linie Care-Arbeit als Grund für Teilzeit angegeben wird.
Immense Nachteile durch lange Teilzeit Care-Arbeit wird hauptsächlich für Kinder geleistet, aber auch für ältere Angehörige. Es gibt häufig zu wenige Betreuungsangebote für den Nachwuchs und eine Pflegekraft zu bekommen, gestaltet sich oft schwierig.
Fragen, die sich in diesem Zusammenhang auftun
Haben Mütter und Frauen also schlicht keine Wahl? Ist jahre-, vielleicht jahrzehntelange Teilzeit ihre einzige Option? Müssen Frauen die damit verbundenen immensen Nachteile in puncto Karriere und finanzielle Absicherung sowie Altersvorsorge hinnehmen? Haben sie keine Chance gegen das traditionelle Frauenbild, das gerade in den deutschsprachigen Ländern so stark ist und durch das Teilzeit geradezu ihr Schicksal zu sein scheint? Die Antwort auf all diese Fragen ist ein klares Nein!
Ich bin ein großer Fan des eigenen Einflussbereiches. Den zu nutzen, erfordert aber Mut zur Veränderung. Ich stelle mir oft die Frage, wie die Diskussion um Teilzeit aussehen würde, wenn sich in Österreich Männer und Frauen die Betreuung von Kindern und Angehörigen sowie die Hausarbeit partnerschaftlich teilen würden. Wie würden die Argumente aussehen, wenn das der Normalfall wäre und in unseren Köpfen gar kein anderes Modell Platz hätte? Soweit sind wir aber (leider) noch nicht.
Fokus auf den eigenen Einflussbereich
Und deshalb sollen die oben genannten negativen Folgen für Frauen zu akzeptieren sein? Wie schon gesagt: Nein, das sind sie nicht. Aber wenn es nicht anders geht? Nun, man könne Probleme nie mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind, sagte einst Albert Einstein. Einfach alles mit den limitierenden Rahmenbedingungen zu begründen, das heißt genau betrachtet, sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen.
Und so einfach können, so einfach dürfen wir Frauen es uns nicht machen! Wenn ich mit meinen Klient:innen darüber spreche, verweise ich gerne auf das Modell des US-amerikanischen Bestsellerautors und Hochschullehrers Stephen R. Covey, der vom „Circle of Influence“ und „Circle of Concern“ spricht. In Letzterem liegt, was uns zwar betrifft, worauf wir aber keinen direkten Einfluss haben. Das Angebot an Plätzen in Kindergärten etwa gehört hierher.
Im „Circle of Influence“ befinden sich dagegen die Dinge, die ich selbst direkt beeinflussen kann. Dinge, bei denen ich so oder so entscheiden kann. Auch Dinge, bei denen ich meine Sichtweise ändern kann und so in meinem ganz individuellen Fall einen Wandel herbeiführe. Was die Arbeitswelt im Allgemeinen und die Möglichkeiten für Frauen im Besonderen betrifft, rate ich meinen Klient:innen dazu, sich auf den „Circle of Influence“ zu fokussieren. So müssen sie nicht darauf warten, was der Gesetzgeber, die Kommunen oder die Unternehmen tun.
Sie gehen voran – und stoßen so eine Transformation auf breiterer Ebene an. Denn: Wo viele Einzelne neue Wege beschreiten, da wird nicht alles beim Alten bleiben.
Aus meiner Coaching-Praxis kenne ich zahlreiche Beispiele, wie Agieren im eigenen Einfluss-Bereich konkret aussehen kann – etwa die Organisation einer wechselweisen Kinderbetreuung mit anderen Müttern in der Nachbarschaft. Oder das In-die-Pflicht-Nehmen der Väter, denen man ruhig einmal vorrechnen sollte, was lange Teilzeit nur der Mütter fürs Familieneinkommen bedeutet.
Für mich persönlich war der Satz: „Mein Partner und ich sind beide zu je 50 Prozent für Kinderbetreuung und Haushalt zuständig“ ein Gamechanger.
Keinesfalls möchte ich mit dem Plädoyer fürs Handeln innerhalb der gegebenen Bedingungen Gesellschaft, Politik und Unternehmen aus der Verantwortung nehmen. Stagnation dort ist nur keine Ausrede für Kapitulation im eigenen Umfeld.
Arbeitszeitmodell nach Lebensphase
Aber zurück zur Teilzeit. Ist die angesichts der vielen aufgezählten Nachteile ein No-Go insbesondere für Frauen? Nein, auch das wäre zu simpel, zu sehr dem Schwarz-Weiß-Denken verhaftet. Wir müssen zum einen weg vom Quasi-Automatismus „einmal Teilzeit, immer Teilzeit“ und zum anderen zu echter Flexibilität und Gleichberechtigung kommen. Damit meine ich, dass sowohl Frauen als auch Männer das Arbeitszeitmodell wählen, das am besten zu ihrer aktuellen Lebensphase passt. Wir müssen weg davon, dass Männer als die Ernährer gelten, was viele von ihnen ja auch stark belastet.
Ja, lange andauernde Teilzeit der Frauen hat auch Nachteile für die Männer und Partner. Da geht es nicht nur um den Druck, genug für alle verdienen zu müssen. Im Falle einer Trennung hat es Vorteile für beide Partner, wenn sie finanziell annähernd gleichgestellt sind.
Um es noch einmal zu wiederholen: Teilzeit ist nicht per se zu verdammen. Ganz im Gegenteil! Vor allem die Generation Z, die jetzt nach und nach auf den Arbeitsmarkt drängt, tickt anders als viele Ältere. Und das ist gut so, denn bei den jungen Menschen ist Teilzeit dadurch nicht mehr allein ein Frauenthema. Sie haben vielfältige Motivationen, weniger Stunden als „normal“ zu arbeiten. Eine Ausbildung neben dem Beruf, das Engagement in einem gemeinnützigen Verein, Sport, ein Hobby – und eben auch die Betreuung von Kindern oder die Pflege der Eltern.
Für die Unternehmen bedeutet Teilzeit vor allem Flexibilität, die mit Corona gekommen ist, um zu bleiben. Führung in Teilzeit und Job-Sharing-Modelle sind Themen, mit denen sich jedes Unternehmen auseinandersetzen muss. Aktuell ist Führung in Teilzeit immer noch DIE Maßnahme für die Unternehmen, um mehr Frauen ins Top-Management zu bekommen.
Eine Lösung für den Arbeitskräftemangel in den Unternehmen ist sicherlich auch, das Teilzeit-Potenzial zu heben.
In vielen Unternehmen arbeiten 15 bis 25 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit – es wäre ein riesiger Hebel, mit diesen Personen wertschätzend zu sprechen und eine mögliche Anhebung der Zahl der geleisteten Stunden zu besprechen.
Meine Vision: Output belohnen statt Anwesenheit
Zukunftsfähig sind wir dann, wenn es den Begriff Teilzeit so nicht mehr gibt. Ist es wirklich relevant, welchen Teil unserer Zeit wir am Arbeitsplatz oder im Homeoffice sitzen? Und was ist nur ein Teil, was ist ganz? Meiner Überzeugung nach sollten Arbeitgeber nicht Anwesenheit, sondern Output belohnen. Manche Unternehmen machen hier schon mutige Schritte voran, etwa mit 32-Stunden-Wochen oder einer 4-Tage-Woche.
Bis aber wirklich überall nur die Leistung und nicht die am Schreibtisch verbrachten Stunden zählen, ist es noch ein weiter Weg. Doch wir haben damit eine überaus inspirierende Vision. Die zu realisieren und so eine bessere Arbeitswelt zu schaffen, das ist großes Engagement wert. Und mit dem kann und sollte wie gesagt jeder und jede bei sich selbst beginnen. Jetzt!
Über die Autorin
Maren Wölfls Herz schlägt für Female Empowerment, Motherhood & Leadership. Als Business Coach, Inspirational Expert und TEDx Speaker macht sie sich seit vielen Jahren für das Thema Mütter in Führungspositionen stark. Ihr Buch-Erstling „Kind und Karriere – es geht beides!“ ist Anfang 2023 im Springer Verlag erschienen.