Sich für die eigenen beruflichen Ziele oder mehr Gehalt einzusetzen, das erfordert auch Verhandlungsgeschick. Unsere Kolumnistin und Expertin Melanie Vogel weiß, wie es geht.
Wie können wir uns in Verhandlungen durchsetzen und gleichzeitig die Beziehungen zu unseren Verhandlungspartnerinnen und -partnern aufrechterhalten? Diese Frage mag zunächst für viele nicht relevant erscheinen, denn schließlich arbeiten nicht alle von uns in den Bereichen Einkauf oder Vertrieb. Doch tatsächlich verhandeln wir alle, jeden Tag, in unterschiedlichen Situationen. Die wenigsten Situationen finden unter hohem Druck und hohem monetären Risiko statt, daher fallen sie uns als Verhandlungssituationen nicht auf. Doch Verhandlungen – oder Aushandlungen – finden in allen Lebensbereichen statt: zu Hause und bei der Arbeit, von der Entscheidung, was es zum Abendessen geben soll, bis hin zur Einigung über die Bedingungen für eine Beförderung. Wir sind in vielen kleinen und größeren Situationen unseres (Arbeits-)Alltags Verhandlungspartnerin oder Verhandlungspartner:innen.
Grundlagen des Verhandelns
Bei einer Verhandlung geht es darum, eine Einigung zu einem bestimmten Thema oder einer Fragestellung zu erzielen. Eine Verhandlung ist daher immer ein Prozess, bei dem hin und her kommuniziert wird, bis sich schließlich alle Parteien auf eine Lösung einigen.
Es gibt viele Möglichkeiten, zu einer solchen Einigung zu gelangen. Manche Menschen sehen Verhandlungen als ein Spiel an, das sie gewinnen müssen. Sie wenden „harte“ Verhandlungstaktiken an, was oft dazu führt, dass eine Partei sehr zufrieden ist und die andere Seite keine andere Wahl hat, als zuzustimmen. Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass die Beziehung zwischen den beiden Parteien oft dauerhaft beschädigt wird. Die Person, die um etwas bittet, erhält es vielleicht, aber die andere Person fühlt sich wahrscheinlich ausgenutzt und ist vielleicht sogar wütend und verärgert.
Der entgegengesetzte Ansatz ist das Entgegenkommen. Dabei gibt eine Partei ihren Standpunkt und ihr ursprüngliches Ziel auf und stimmt einfach dem zu, was die andere Person möchte. Diese „weiche“ Taktik ist oft das Ergebnis des Wunsches, die Beziehungen aufrecht zu halten. Das Endergebnis ist jedoch, dass die eine Person nicht das bekommt, was sie braucht – und am Ende verliert sie die Kontrolle an die andere Person.
Verhandlungen, die auf ein für beide Seiten zufriedenstellendes Ergebnis abzielen, sind am besten. Diese werden manchmal als kooperative, integrative oder prinzipienorientierte Verhandlungen bezeichnet. Die dabei verwendeten Techniken helfen den Verhandlungspartnern, eine Lösung zu finden, die den Bedürfnissen beider Seiten gerecht wird. Das Ergebnis ist eine Win-Win-Lösung. Hier liegt der Schwerpunkt darauf, eine neue Position zu finden, mit der alle zufrieden sind.
In dem Buch „Getting to Yes“ skizzieren die Autoren Roger Fisher und William Ury vier Parameter für eine prinzipienfeste Verhandlung:
- Trenne die Menschen vom Problem.
- Konzentriere dich auf Interessen, nicht auf Positionen.
- Erarbeite eine Vielzahl von Möglichkeiten, bevor du eine Entscheidung triffst.
- Definiere objektive Standards als Kriterien für die Entscheidungsfindung.
Wann man „Nein“ sagen sollte
Allerdings bedarf nicht alles der Verhandlung. Manchmal ist es zielführender, von Beginn an „Nein“ zu sagen. Doch wie erkennt man solche Situationen? Hilfreich sind die folgenden Fragen, die zu einer klaren Entscheidung und dann auch zu einem klaren „nein“ führen können:
- Habe ich Zeit für die Aufgabe?
- Wie dringend und/oder wichtig ist die Aufgabe?
- Bin ich die richtige Person für diese Aufgabe?
- Ist jemand anderes für die Aufgabe besser geeignet?
- Passt diese Aufgabe zu meinen eigenen Zielen und Absichten?
Wenn die Antwort auf eine dieser Fragen „nein“ lautet, erübrigt sich eine Verhandlung. Andererseits ist es in der Regel unprofessionell und für die eigene Karriere strategisch nicht sinnvoll, eine Aufgabe abzulehnen, nur weil man sie nicht machen will oder sie aktuell nicht zu den eigenen Zielen oder in den eigenen Zeitplan passt.
Wie man „Ja“ zum Menschen, aber „Nein“ zur Aufgabe sagt
Wenn die Antwort auf die Aufgabenanfrage „nein“ lautet, dann überlegen Sie sich, wie Sie gleichzeitig „ja“ zu dem Menschen sagen können. Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Begründungen erläutern, damit klar ist, dass Sie nur zu dieser bestimmten Aufgabe zum aktuellen Zeitpunkt „nein“ sagen – und nicht generell. Vielleicht ergeben sich aus dieser differenzierten Absage nun weitere Möglichkeiten, doch in eine Verhandlung unter anderen Grundvoraussetzungen einzusteigen. Hilfreich sind dabei diese drei Kernfragen, die Klarheit über das weitere Vorgehen geben können:
- Was braucht diese Person wirklich?
- Gibt es Teilbereiche, wo Sie sich verhandlungsbereit und flexibel zeigen können?
- Bestimmen Sie gemeinsam die Prioritäten.
- Wie kann das Bedürfnis dieser Person auf andere Weise erfüllt werden?
- Finden Sie einen anderen Bezugsrahmen oder Ansatz für das Problem.
- Suchen Sie nach Zeit- und Ressourcenalternativen.
- Wie kann ich diese Person dabei unterstützen, dass ihr Bedürfnis erfüllt wird?
- Definieren Sie das größere Ziel.
- Suchen Sie nach gemeinsamen Interessen und Bedürfnissen.
Ein hohes Maß an Vertrauen und eine gute Kommunikation sind für diesen Prozess unerlässlich. Auch wenn es keine Garantie dafür gibt, dass Vertrauen zu einer guten Lösung führt, wird Misstrauen die Zusammenarbeit und die Verhandlung mit Sicherheit beeinträchtigen.
Melanie Vogel
Melanie Vogel, seit 1998 passionierte Unternehmerin, ist Brückenbauerin in eine neue Zeit. Analytisch, mit Scharfblick und Herzenswärme betrachtet sie die Welt aus der für sie typischen VogelPerspektive. Das von ihr entwickelte und mehrfach preisgekrönte „Futability®-Konzept” ist ihre Antwort auf VUCA – eine Welt radikaler Veränderungen. Als VUCA-Expertin macht sie Menschen fit für eine Welt dauerhaften Wandels, als WirtschaftsPhilosophin sorgt sie für nachhaltige Perspektivwechsel, als Business-Vordenkerin und Innovation-Coach bietet sie Prozess- und Führungskräftebegleitung an.
Die mehrfache Buchautorin und Lehrbeauftragte der Universität zu Köln war von 2018 bis 2021 Mitglied der Arbeitsgruppe „Hochschulbildung für das digitale Zeitalter im europäischen Kontext”, initiiert vom „Hochschulforum Digitalisierung” der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Die dreifach ausgezeichnete Innovatorin schreibt regelmäßig als Fachautorin für die Publikationen „PersonalEntwickeln” und „Grundlagen der Weiterbildung”.