Jung und alt – ein ewiger Quell von Missverständnissen. Yaël Maier, Unternehmensberaterin in Sachen Gen Z, weiß, woran der Gap heute hakt und wie er sich schließen ließe. Ein Gespräch über Generationen-Pairing, Social Media als Recruiting-Pool und das große Loslassen.
Eines der Ziele von Diversität ist das gewinnbringende Zusammenwirken von durchmischten Gruppen. Von wem kann die Generation Z derzeit am meisten „lernen“: von den durch alle Krisen geschüttelten Millennials oder von den „Alten“, also der Generation 50+?
Yaël Meier: Ich denke, von allen. Das ist ja das Spannende daran. Wir können alle voneinander viel lernen und sollten das auch tun.
Wir können alle voneinander viel lernen und sollten das auch tun.
Ist Diversität für Ihre Generation überhaupt noch ein Thema?
Meier: Auf jeden Fall. Ich würde sagen, die Gen Z ist die aufgeschlossenste Generation und setzt sich stark gegen Ungerechtigkeiten ein. Durch Social Media finden sich für jedes Thema Gleichgesinnte.
In einem Interview haben Sie unlängst den sehr interessanten Satz gesagt: „Wir wollen schnell Verantwortung übernehmen und nicht erst fünf Jahre warten müssen, bevor wir etwas Spannendes machen dürfen.“ In der Wirtschaft gelten fünf Jahre als ein zuverlässiger Gradmesser für Erfahrung. Würde man künftig darauf verzichten, was könnte diese Erfahrungslücke ausgleichen?
Meier: Dazu zwei Punkte. Erstens: Was bedeutet Erfahrung? Die Welt verändert sich schnell und damit die Lebenswelten, in denen junge Leute leben. Sie sind digital aufgewachsen, kennen eine Welt ohne Internet nicht und nutzen neue Technologien intuitiv. Heute korreliert Erfahrung nicht mehr zwingend mit Alter. Viele Unternehmen denken allerdings immer noch sehr traditionell und nutzen das Wissen junger Leute nicht. Dadurch geht enorm viel Potenzial verloren.
Und der zweite Punkt?
Meier: Nur weil man junge Mitarbeitende dazu ermutigt, Verantwortung zu übernehmen, heißt das nicht, dass sie gleich CEOs sein müssen. Es ist ein Lernprozess, der gleichzeitig eine agile Organisation schafft. Eine Firma, in der Leute mit Selbstbestimmtheit Entscheidungen treffen können, wird schneller vorankommen. Denn Mitarbeitende, die nicht berechtigt sind, eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, können sich weder entwickeln noch innovativ sein. Wieso sollte man das jungen Menschen verwehren, nur weil sie jung sind?
Ihr Fachgebiet ist die Generation Z. Wo sehen Sie aber die Generation der über 40-Jährigen, die ja einen großen Teil des Arbeitsmarktes ausmacht. Wo müssten die sich hinbewegen für eine produktive, konstruktive Arbeitswelt?
Meier: Sie müssten kollaborativer werden.
Sind sie nicht?
Meier: Die Arbeitswelt ist es nicht. Und damit sie es wird, müssen wir alle mehr zusammenarbeiten.
Dieser Vorwurf richteten bereits die Boomer an die Älteren. Ist das nicht ein zutiefst menschlicher Zug?
Meier: Vielleicht – aber nur weil es früher schon so war, kann dies kein Grund dafür sein, dass es weiterhin so bleibt. Es hat sich ja auch verändert, dass Frauen gefälligst zuhause zu bleiben haben, um für die Kinder zu sorgen, und die Männer die Karriere machen.
Erfreulicherweise, selbst wenn es da noch viel zu tun gibt! Dennoch: Das eine ist gesellschaftliche Veränderung, die erkämpft wurde, das andere steckt in den meisten Menschen drinnen – nämlich, dass sie nicht gerne abgeben, was sie sich hart erarbeiten mussten. Gibt es Überlegungen von Ihnen, wie so ein Anreiz für Kooperation aussehen könnte?
Meier: Ich denke, das muss in einem Unternehmen gelebt werden. Es muss von oben nach unten passieren. Auch Innovation muss ehrlich gewollt sein. Das ist ja das Ding: Die Welt verändert sich und man muss mit dieser Veränderung mitgehen. Das bedeutet ja nichts Schlechtes. Davon profitieren schlussendlich alle. Junge Leute können nicht selbst alles machen, sie müssen ebenfalls von den Älteren lernen. In einem gemeinsamen Prozess wird dies jedoch möglich.
Die Welt verändert sich und man muss mit dieser Veränderung mitgehen.
Eine weitere Aussage von Ihnen: „Der Gen Z sind Prestige und ein gutes Gehalt wichtiger als der Generation Y“. Liegt dies möglicherweise daran, dass die Generation Y häufig von den Eltern unterstützt wurde und die Generation Z spürt, dass dieser Zustand nicht weiter aufrecht zu halten ist – etwa weil die Boomer in Pension gehen, der Mittelstand erodiert, die Leute generell das Geld ein bisschen mehr zusammenhalten und große Zukunftsängste haben?
Meier: Möglicherweise. Die Gen Z weiß jedenfalls, dass sie in eine Gesellschaft einsteigt, in der Krisen herrschen und man sich nicht einfach zurücklehnen kann. Gleichzeitig, denke ich, dass die Gen Z eine Generation ist, die sich viel zutraut und die weiß, dass sie durchwegs Forderungen stellen kann. Mit diesem Selbstbewusstsein kommt dann auch die Karriereorientiertheit.
Das Selbstbewusstsein ist ein interessanter Punkt, denn Arbeitgeber haben oft Probleme mit diesem „jungen“ Selbstbewusstsein: Sie fordern zwar einerseits unglaublich viel – Auslandssemester, Praktika ohne Ende. Und wundern sich dann, dass sie es mit so selbstbewussten jungen Leuten zu tun haben. Wie sehen Sie das?
Meier: Unsere Bildungserziehung ist sicher ein Grund für das Selbstbewusstsein. Der andere Grund ist, dass wir alle auf Social Media sind und uns dort mit den anderen Leuten vergleichen. Wir vergleichen uns nicht mehr nur mit Nachbarskindern oder Bekannten, sondern mit Leuten auf der ganzen Welt. Wenn jemand bei seinem Unternehmen vom Strand in Lissabon aus arbeiten darf, dann will ich das auch.
Wir vergleichen uns nicht mehr nur mit Nachbarskindern oder Bekannten, sondern mit Leuten auf der ganzen Welt.
Dazu kommt der Fachkräftemangel: In den nächsten zehn Jahren werden 30 Prozent mehr Leute in Pension gehen, als ins Arbeitsleben einsteigen. Da entsteht eine unglaubliche Lücke, die gefüllt werden muss. Unternehmen merken, dass sie sich bis zu einem gewissen Punkt auf die Forderungen der Jungen einlassen müssen. Sonst werden Top-Talente zu einem Unternehmen gehen, das es tut. Deshalb müssen Unternehmen jetzt umdenken und sich mit den Anforderungen der Berufseinsteiger:innen auseinandersetzen.
Weitere spannende Artikel rund um Diversität können Sie in unserem im Dezember 2022 erschienen Special Issue Weconomy Diversity Works lesen. Als Einzelausgabe, E-paper oder als Teil eines Jahresabos in unserem Shop erhältlich.
Zur Person
Yaël Meier (22), wurde bereits mit 17 Jahren Kolumnistin der Schweizer Tageszeitung „Blick“. Dabei fiel ihr rasch auf, wir oft sie gefragt wurde: „Kannst du mir erklären, wie junge Leute ticken?“, „Kannst du mir erklären, ob junge Leute dieses oder jenes neue Produkt cool finden?“.
Sie kam zu dem Schluss, dass viele Unternehmen heute die junge Zielgruppe nicht mehr verstehen würden – „für mich aber war das alles selbstverständlich, weil ich ja selbst jung war“, erzählt sie rückblickend.
Ihrem ZEAM-Mitbegründer Jo Dietrich, der zum damaligen Zeitpunkt u.a. für die Ringier-Gruppe als Trendscout arbeitete, erging es ähnlich. Die zwei taten sich zusammen und gründeten vor zwei Jahren ZEAM, „Die Agentur fürs Jungsein“.
Seither unterstützen sie Unternehmen dabei, die Generation Z authentisch zu erreichen und zu begeistern. Mit ihrem mittlerweile fast 30-köpfigen Team analysieren sie, woran es scheitert, wenn Unternehmen gezielte Projekte starten oder Produkte lancieren, die dennoch an den Jungen vorbeiziehen. Sie entwerfen Strategien, Tik Tok-Kampagnen und unterstützen Organisationen und Betriebe bei ihrem Eintritt ins Metaverse.