Carolin Kunert entwickelt nachhaltige Grillmodelle, die regional produziert werden. Für Wachstumsfinanzierung setzt sie nicht mehr auf deutsche Quellen, sondern auf ihren eigenen Umsatz.
Du hast Knister-Grill vor vier Jahren gegründet. Wie entstand die Idee?
Ich bin in der Münchner Innenstadt groß geworden, und damit auch mit dem Grillen an der Isar. Dort wird größtenteils mit Einweg-Grills gegrillt. Entsprechend vermüllt sind die Anlagen, weil so viele Leute dann Einweg-Grills nutzen und einfach in der Natur liegen lassen. Das Hauptproblem ist dabei der nervige Transport des Grills, Kohle, Essen etc. Unsere Knister Grills sind die Lösung dagegen und helfen, einfacher aus der Stadt in die Natur zu kommen.
Schon in meinem Industriedesign-Studium habe ich mich mit dem Thema beschäftigt. Mein erster Prototyp war für den Gepäckträger gedacht und viel zu schwer. Während meines Auslandssemesters in Dänemark habe ich dann weiter an einem Modell gefeilt, letztlich konnte ich dann die Jury beim ’’Start-up Weekend’’ so begeistern, dass ich den ersten Preis gewonnen habe. Die Idee hat mich irgendwie nicht mehr losgelassen, obwohl ich nach meinem Abschluss noch als Designerin für verschiedene Marken gearbeitet habe. Mir wurde aber immer klarer, wo ich wirklich hinwill.
Du kommst gerade zurück von einer Gründer:innen-Reise nach Israel. Was nimmst Du mit?
Die Tour mit der weltweiten „Forbes 30 under 30“- Community war sehr beeindruckend, und das nicht nur in technischer Hinsicht. Durch die Vernetzung mit hunderten, internationalen Unternehmern habe einmal mehr gemerkt, dass wir hier in Deutschland in der Gründerszene kleiner denken, bzw. kleiner denken müssen. Die Geschäftsmodelle anderer Unternehmen in anderen Ländern sind zwar nicht besser, aber in den USA, in Israel oder Asien gibt es deutlich mehr Fördergelder, es wird viel mehr in Innovation investiert und das Fundraising, welches man irgendwann zwangsläufig braucht um schnell Marktführer zu werden, ist viel einfacher.
Deutschland verpasst hier einfach den Anschluss. Wir investieren zwar mäßig in Bildung und hervorragende Gründerzentren, „pflanzen“ auch Startups, die wirklich die Welt verändern können. Wenn du als Gründer aber wirklich groß denkst und schnell wachsen willst, wird deine Finanzierung irgendwann nicht mehr aus Deutschland kommen. Ich habe es in meinem Umfeld unzählige male erlebt: Du bekommst in der gleichen Zeit aus UK/US/ISR 10x so viel Kapital wie aus einem Deutschen Fond/Angel Investment. Wieso solltest du also deutsches Geld nehmen?
Der Großteil des Venture Capitals kommt aber spätestens ab Series C/D eh nicht mehr aus deutschen Fonds. Und damit verlässt dann die „deutsche Innovation“ unser Land.
Wenn Gründer:innen sehr groß denken, wird die Firma schon gar nicht erst in Deutschland angemeldet, weil das deutsche Steuer-System viele große, internationale VCs abschreckt.
Zudem sind wir hier gesellschaftlich überhaupt nicht auf den Support von Unternehmer:innen ausgerichtet. Das fängt schon im Schulsystem an und endet mit steuerlichen- und Kranken-und Rentenversicherungstechnischen Hürden.
Wenn unsere Regierung nicht innerhalb der nächsten Jahre ein wirklich innovations- und unternehmensfreundliches Umfeld konstruiert, wird Deutschland in 30 Jahren keine wirtschaftlich relevante Weltmarktführerrolle mehr besetzen.
Ein Beispiel: Es ist so schwierig in Deutschland zu gründen, das beginnt schon bei dem langwierigen Antrag, um eine Umsatzsteuernummer zu bekommen. Bei mir hat das z.B. mehr als sechs Monate gedauert- meine Crowdfunding Kampagne hat allerdings schon drei Monate nach Projektstart gestartet. Denn bei mir hieß es von Minute eins an „Sales’’. Der Staat hindert dich damit aktiv daran, möglichst schnell Umsatz zu machen – in anderen Ländern kann man innerhalb von einem Tag eine Firma gründen.
Was bedeutet das für die Finanzierung von Knister-Grill?
Ganz ehrlich: Ich beschäftige mich aktuell nicht mehr mit Wachstumsfinanzierung, das kostet mich zu viel Zeit und Energie. Wir finanzieren uns aktuell aus eigenen Umsätzen heraus. Sobald wir den nächsten große Schritt hinsichtlich Internationalisierung gehen, werde ich wahrscheinlich Kapital im Ausland raisen.
Das war in der Corona-Zeit sicherlich nicht einfach?
Als Unternehmen hangeln wir uns gerade von einer makroökonomischen Herausforderung zur nächsten. Corona haben wir gut überstanden, obwohl durch die Einzelhandelsschließungen 50% unseres Umsatzes storniert wurde, da wir trotzdem noch online weiter verkaufen konnten. Außerdem haben wir während Corona Innovationen wie unseren Balkonhalterung und den Gas-Grill auf den Markt gebracht und damit komplett neue Kundengruppen erschlossen, zum Beispiel im wachsenden Camping-Markt (und während Corona durfte ja eh keiner das Haus verlassen)
Viel härter treffen uns aktuell die weltweiten Lieferkettenprobleme. Wir produzieren zwar nur in Deutschland, aber wenn China keinen Stahl mehr liefert, verlagert sich die weltweite Nachfrage, und das trifft dann natürlich auch uns – wir sind ja nicht die einzigen, die Stahl brauchen.
Hinzu kommt die Ukraine, die einer der größten Stahl-Produzenten in Europa ist und den europäischen Binnenmarkt ins Wanken bringt. Letztes Jahr hat uns das höhere 6-stellige Umsatzeinbußen gebracht, da wir einige Monate schlicht nicht produzieren konnten. Heute ist die Materialbeschaffung vor allem extrem teuer (ca. 3x höherer Materialpreis vgl. mit 2018).
Vorteil regionale Produktion
Du hast als Unternehmerin immer die Chancen einer schwierigen Lage im Blick. Bringt die aktuelle Lage vielleicht auch Positives für Euch mit sich?
Auf jeden Fall! Durch die Liefer-Schwierigkeiten im Geschäft mit China verschieben sich gerade die Anteile im Einzelhandel massiv. Durch unsere Schnelligkeit und Flexibilität bilden sich neue Strukturen, und wir konnten in vielen interessanten Märkten einen Fuß in die Tür bekommen. Außerdem wurde in den letzten zwei Jahren beim Endkunden das Bewusstsein für regionale, nachhaltige Produkte geschärft.
Wie produziert Ihr denn?
Wir stellen unsere Produkte ausschließlich in Deutschland her, hier sind wir die einzigen auf dem Markt, die das im großen Stil machen. Dabei arbeiten wir eng mit den Herstellern zusammen, zum Beispiel in der Metallverarbeitung. Ich kann die lokale Produktion nur empfehlen – wenn man es clever anstellt, ist das am Ende deutlich günstiger und die Qualität lässt sich leichter verbessern.
Was treibt Dich an?
Ich bin gern Gründerin, weil ich die Welt mit gestalten, verändern und verbessern kann. Ich möchte meine Ideen nicht irgendwohin geben, wo ich keinen Einfluss mehr auf die Lieferketten, Qualität und Arbeitsbedingungen habe. Es ist meine und die Verantwortung eines jeden Unternehmers im 21. Jahrhundert, nachhaltige Lösungsansätze für Umwelt und Mensch zu finden. Deshalb möchte ich auch nie wieder Produkte gestalten, die drauf angelegt sind, weggeworfen zu werden und positioniere Knister deshalb als nachhaltigsten Grill auf dem Markt.
Warum seht Ihr Knister als besonders nachhaltig an?
Alleine durch die kurzen Transportwege verbraucht jeder Knister Grill 40x weniger CO2 als alle herkömmlichen Grills. Fast jeder andere Grillhersteller schickt nämlich seine Produkte 2x um die ganze Erdkugel. Jeder grillt gern am See, im Park oder am Fluss – aber niemand möchte den Grill dazu mitnehmen. Unsere Produkte sind die Lösung gegen Vermüllung durch Einweg-Grills. Gleichzeitig helfen sie, einfacher aus der Stadt in die Natur zu kommen. Nach dem Ausflug können alle Teile leicht in der Spülmaschine gereinigt werden.
In unseren Produkten steckt jede Menge Entwicklungsarbeit, jedes Detail ist durchdacht und funktioniert, ohne den Grill zu überfrachten. Jedes Teil ist austauschbar, recyclebar und wir denken den gesamten Lebenszyklus zu Ende. Der Grill ist leicht zu transportieren und leicht zu benutzen, das macht einfach Spaß. Mit diesem Konzept sprechen wir insbesondere Outdoor-, Lifestyle- und Design-Begeisterte an.
Von der Business-Seite her lösen wir jedes Problem rund ums Thema „Grillen unterwegs“: Transport, Stauraum, Reinigung, Fläche der Grillroste und vor allem: Langlebigkeit.
Worauf bist Du persönlich stolz?
Der Grill-Markt ist riesig, und zunächst haben uns viele einfach nicht ernst genommen. Zu den ersten Gesprächen mit Zulieferern habe ich noch einen Freund mitgenommen. Aber nach und nach haben wir uns Respekt erarbeitet und sind an vielen begehrten Stellen im Markt vertreten. Im vergangenen Jahr und auch in diesem haben wir unseren Umsatz verdoppelt, trotz aller Herausforderungen.
Grillen ist jedoch ein hoch emotionales Thema, viele meinen immer noch: Das sollen lieber die Männer machen. Aber inzwischen weiß der Markt: Bei Knister ist das anders.
Auch über die zahlreichen Auszeichnungen wie den ISPO-Award oder zuletzt den Green Product Design Award Outdoor freue ich mich. Aber vor allem bin ich stolz, dass es uns noch gibt. Erfolg ist immer einfach zu verkaufen, aber kaum einer sieht den Stress, die Arbeit, die Existenzängste, die schlaflosen Nächte, den Druck und alles was hinter der Erfolgs-Fassade steckt. Ohne mein Team, meine Familie und meinen Mentor:innen hätte ich das nicht geschafft.
Carolin Kunert, Founder und CEO Knister Grill…
.. hat Industriedesign an der Hochschule München und an der Syddansk University studiert. Noch während ihres Studiums in Dänemark gründete sie Knister Grill. Sie zählt zu „Forbes 30 under 30 Europe“ (Retail & E-Commerce) und erhielt für ihre Produkte zahlreiche Auszeichnungen.