Am 9. März lädt Oikocredit Austria gemeinsam mit dem entwicklungspolitischen Netzwerk WIDE und ega:frauen im zentrum zu einer Online-Veranstaltung unter dem Titel Wirtschaftliches Empowerment von Frauen im Globalen Süden ein. Oikocredit Vorstandsmitglied Andrea Hagmann hat sich die Zeit genommen, mit uns im Vorfeld über die Förderung von Frauen in einkommensschwachen Regionen zu sprechen.
Auf der Oikocredit-Website ist zu lesen, dass der Internationale Frauentag für Gleichberechtigung und nicht für das Verschenken von Blumen, Schokolade oder Haushaltswaren stehen sollte. Woran liegt es, dass auf entsprechende Forderungen bis heute statt echter Gleichberechtigung oft nur schöne Worte und halbherzige Gesten folgen?
Hagmann: Auf diese Frage gibt es wahrscheinlich keine einfache Antwort, sonst hätten wir das Problem nicht mehr. Vielleicht liegt es grundsätzlich daran, dass sich viele immer noch schwer damit tun, Menschen, die eben anders sind als sie selbst, vorbehaltlos als völlig gleichberechtigt zu akzeptieren. Was ja schon beim Verhältnis zwischen den Geschlechtern beginnt. Es fällt vielen offenbar schwer, weil ihnen Andersartigkeit per se auch Angst macht. Und das löst dann eben oft wieder nur halbherziges Agieren bzw. im schlechtesten Fall sogar Ausgrenzung und Unterdrückung aus. Nur negativ darf man das aber auch nicht sehen: Bei der Gleichstellung der Geschlechter wurden etwa über die letzten Jahrzehnte rund um die Welt durchaus Fortschritte erzielt – immer mehr Mädchen gehen auch in Entwicklungsländern zur Schule, es gibt mehr Frauen denn je in Führungspositionen oder in Regierungsjobs und es werden auch laufend Gesetze erlassen oder zumindest angepasst, die in die richtige Richtung weisen. Trotzdem wissen wir, dass es bis 2030 kein einziges Land weltweit schaffen wird, wirkliche Geschlechtergerechtigkeit für alle Frauen und Mädchen herzustellen. Womit deren Selbstbestimmungsrechte weiterhin beschränkt bleiben.
Selbst in Industrieländern wie Österreich sind wir bei der Gleichberechtigung noch immer nicht dort angekommen, wo wir sein sollten. Wie ist es um dieses Thema im Globalen Süden bestellt?
Hagmann: Stimmt, denken Sie nur an den Gender Pay Gap. Auch bei uns verdienen Frauen für dieselbe Arbeit immer noch rund 20 Prozent weniger als Männer. In den meisten Entwicklungsländern ist es um die Frauenrechte und die wirtschaftlichen Möglichkeiten für Frauen aber leider noch klar schlechter bestellt – zum Beispiel im wichtigen Bildungsbereich, der in einer ganzen Reihe von Staaten vielen Mädchen und Frauen nach wie vor nicht wirklich gleichberechtigt offensteht. Keine gute Bildung vermittelt zu bekommen heißt aber am Ende des Tages entweder gar keinen oder nur einen schlechten Job zu kriegen, wodurch dann auch von einem geregelten und fairen Einkommen keine Rede sein kann. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation haben weltweit immer noch weniger als 50 % der Frauen überhaupt einen Job. Klar, dass sehr viele von ihnen von akuter Armut bedroht sind.
Welchen wirtschaftlichen Herausforderungen müssen sich Frauen in weniger entwickelten Ländern aktuell stellen?
Hagmann: In vielen Staaten gibt es immer noch jede Menge diskriminierende Rahmenbedingungen und soziale Normen, die einer Gleichberechtigung entgegenstehen. Ganz konkret scheitern viele Frauen etwa allein schon daran, einen Kredit aufzunehmen, der ja oft als Starthilfe für die Umsetzung einer erfolgreichen Geschäftsidee dringend benötigt wird. Einer der Gründe dafür: Nur 65% aller Frauen weltweit haben überhaupt ein eigenes Bankkonto und dadurch keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen. Durch diese prekäre Situation mit unsicherem oder fehlendem Einkommen und stark begrenzten Handlungsmöglichkeiten rutschen die Betroffenen oft in lebenslange Abhängigkeit. Sie können kaum Entscheidungen für sich und ihre Familie treffen und damit bleibt ihnen in der Folge eben ein selbstbestimmtes Leben weitgehend verwehrt.
Auch die aktuelle Pandemie wird uns zurückwerfen und einen Teil der erzielten Fortschritte wieder zerstören. Schon jetzt sieht man, dass sich bestehende Ungleichheiten wieder verschärfen, etwa wenn es um die Doppelbelastung von Frauen durch Familie und Beruf geht.
Welche Möglichkeiten haben Frauen in wirtschaftlich schwächeren Ländern um finanziell unabhängig zu werden?
Hagmann: Mittlerweile gibt es in vielen Entwicklungsländern zum Glück Organisationen wie etwa Mikrofinanzinstitute, die den gesellschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen Mehrwert, den spezielle Förderprogramme und Finanzprodukte für Frauen mit sich bringen, durchaus erkannt haben. Sie helfen ihnen, ihre Potentiale freizulegen und eröffnen ihnen die Möglichkeit zu einem eigenständigen Leben. Oikocredit arbeitet mit genau solchen Organisationen zusammen. Man darf ja nicht vergessen: Es sind ja in den Entwicklungsländern meist die Frauen, die das Geld, das sie verdienen, vorrangig für die Gesundheit, die Ernährung und Ausbildung ihrer Kinder einsetzen oder die sich für den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft engagieren. Damit stabilisieren sie diese Gesellschaften und sichern so die Zukunft vieler Menschen ab. Das sollte eigentlich allein schon Ansporn genug sein, ihnen gleichberechtigt Zugang zu guter Arbeit und zu finanziellen Unterstützungen zu ermöglichen.
Um wieviel schwieriger gestaltet sich der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit für Frauen im Globalen Süden verglichen mit Frauen in Industrieländern?
Hagmann: Ich glaube die Haupthürden sind die bereits angesprochenen herrschenden sozialen Normen, die Frauen und Männer in bestimmte Rollenbilder drängen, erschwerte Zugänge zu Bildungssystemen und daraus resultierend schlechte Jobs beziehungsweise nachteilige Bedingungen, in denen Frauen arbeiten. Da ist die Situation bei uns ja doch eine andere Dazu kommt dann noch eine neue Kluft, die immer stärker zum Tragen kommt, nämlich die digitale. Der Prozentsatz der Frauen im Globalen Süden, die etwa ein Mobiltelefon oder einen Internetzugang haben, ist vielerorts weit geringer als der bei den Männern. Beides wird aber als Voraussetzung für einen guten Job oder ein erfolgreiches Wirtschaften immer wichtiger. Auch hier hilft Oikocredit gemeinsam mit Partnern, mittels gezielter Schulungen die großen bestehenden Unterschiede zumindest zu verkleinern.
Wie unterstützt Oikocredit Frauen im Globalen Süden und wie erfahren diese, dass es eine solche Organisation überhaupt gibt?
Hagmann: Oikocredit hat über die Jahre ein breites Netzwerk von circa 600 Partnern in 33 Ländern aufgebaut und unterstützt derzeit Projekte im Wert von knapp einer Milliarde Euro. Dabei sind 86% der KundInnen unserer Mikrofinanzpartner weiblich. Eine Analyse der Weltbank zeigt übrigens, dass dieser Ansatz der richtige ist, so sind Frauen beispielsweise weit weniger säumig bei der Kreditbedienung als Männer. Wir statten die erwähnten Mikrofinanzinstitute mit Krediten oder Kapitalbeteiligungen aus und unterstützen sie auch mit Beratungsprojekten. Damit machen wir unsere Partner fit, besonders Menschen mit geringem Einkommen und eben Frauen Zugang zu maßgeschneiderten Finanzlösungen zu verschaffen. Dass es diese Angebote gibt, wissen die Menschen mittlerweile, die melden sich selbst. Der Kundenberater vor Ort diskutiert dann die Geschäftsideen mit den potentiellen Kundinnen, eventuell erhalten sie dann auch noch eine einführende oder begleitende Schulung oder Beratung und dann wird ein auf die Bedürfnisse und das Geschäftsmodell abgestimmter Kredit gewährt. Bei Bedarf wird während der Kreditlaufzeit nachjustiert.
Wie kann man Oikocredit beim Empowerment von Frauen unterstützen?
Hagmann: Es gibt mehrere Möglichkeiten, Oikocredit zu unterstützen. Menschen, die ihr Geld nachhaltig anlegen wollen und nicht nur an einer finanziellen, sondern auch an einer sozialen Rendite interessiert sind, können ihr Geld in Genossenschaftsanteils-Zertifikate investieren. Wenn man gerade kein Geld zu veranlagen hat oder veranlagen will, kann man aber trotzdem helfen. Etwa, indem man Mitglied wird oder indem man den Förderkreis in Österreich ehrenamtlich unterstützt, beispielsweise durch die Mitarbeit bei Veranstaltungen.
Worauf dürfen sich TeilnehmerInnen der Veranstaltung am 9. März freuen?
Hagmann: Andrea Kadensky von der Katholischen Frauenbewegung, die Mitglied bei WIDE sind, Petra Bayr, Sprecherin für Entwicklungszusammenarbeit in der SPÖ und ich als Vertreterin von Oikocredit verfügen über einen recht großen Erfahrungsschatz wie Frauen im Globalen Süden beim Aufbau eines selbstbestimmten Lebens geholfen werden kann und wir haben auch Einblick in die aktuelle Lage, die durch die Corona-Krise geprägt ist.
„Wirtschaftliches Empowerment von Frauen trägt dazu bei, dass Frauen ihr eigenes Geld verdienen können und unabhängig von einem Partner ein selbstbestimmtes Leben führen können. Frauen, die ökonomisch unabhängig sind, sind wesentlich weniger gefährdet, Opfer von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt zu werden“, sagt Petra Bayr.
Andrea Kadensky erklärt: „Die Katholische Frauenbewegung Österreich/Aktion Familienfasttag arbeitet in ihren entwicklungspolitischen Projekten mit einem menschenrechtsbasierten Ansatz. Wirtschaftliches Empowerment leistet zur Umsetzung des Rechts auf Selbstbestimmung für Frauen einen wesentlichen Beitrag; es sollte aber gekoppelt werden mit weiteren Aktivitäten wie der Stärkung des Selbstvertrauens von Frauen oder auch dem Engagement für gleichberechtigte soziale und politische Partizipation.“
Bei unserer gemeinsamen Veranstaltung werden wir nicht nur aufzeigen, was alles nicht funktioniert, sondern das Augenmerk darauflegen, wie es funktionieren kann. Mit Tania Napravnik, die sich als freie Journalistin sehr intensiv mit dem Thema transnationale Geschlechterverhältnisse auseinandersetzt, haben wir noch dazu eine perfekte Moderatorin für diese Veranstaltung. Ich persönlich freue mich schon sehr auf die Diskussion und natürlich auch auf den Austausch mit allen Teilnehmerinnen.
Wer Interesse bekommen hat und kostenlos an der Diskussion über ’’Wirtschaftliches Empowerment von Frauen im Globalen Süden’’ teilnehmen möchte, kann sich über diesen Link zum Zoom-Webinar anmelden. Wer weitere Informationen zur Veranstaltung sucht findet sie auf der Oikocredit Austria Website.